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G Adventures: „Kostenmäßig auf die Bremse getreten“

Jeanette Buller, Verkaufsdirektorin für Europa bei G Adventures, schaut optimistisch in die Zukunft

Jeanette Buller, Verkaufsdirektorin für Europa bei G Adventures, schaut optimistisch in die Zukunft. Foto: G Adventures

Die Corona-Krise trifft nicht nur Reisebüros, sondern auch Veranstalter hart. Im Gespräch mit touristik aktuell berichtet Jeanette Buller, Vertriebsdirektorin für Europa beim Erlebnisreisespezialisten G Adventures, über die Schwierigkeiten und ihren Arbeitsalltag. Sie geht davon aus, dass Ende des Kalenderjahres Reisen wieder wenn auch eingeschränkt möglich sind.

 

Frau Buller, schon vor der Verlängerung der Reisewarnung bis 14. Juni hatte G Adventures alle Reisen bis 30. Juni ausgesetzt. Warum?

Keine Frage, die Entscheidung fiel uns schwer. Aber wir sehen, wie sich die Pandemie entwickelt. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass wir unsere Touren so durchführen können, wie wir sie geplant haben.

Sie waren auch einer der ersten Veranstalter, der Mitte März reagiert und Reisen abgesagt hat.

Ja, die Situation hatte sich von Tag zu Tag zugespitzt. Alle fünf Minuten erreichten uns neue Hinweise, selbst für den Mount Everest. Da haben wir die Reißleine gezogen. Es war die richtige Entscheidung. Wir haben viel positives Feedback erhalten, denn so haben wir auch für unsere Partner ein klares Signal gegeben.

Bis Ende Juni werden Sie dann dreieinhalb Monate keine Reisen mehr durchgeführt haben. Wie schaffen Sie das finanziell?

Wir haben gleich im März Maßnahmen ergriffen und sind kostenmäßig komplett auf die Bremse getreten. In manchen Bereichen zum Beispiel im Marketing haben wir die Kosten quasi auf Null zurückgefahren. Wir haben auch beispielsweise den Bereich Technologien überprüft und unter anderem geschaut, ob wir tatsächlich so viele Lizenzen benötigen, wie wir zu dieser Zeit hatten.

Was haben Sie noch unternommen?

Natürlich sind auch wir in Kurzarbeit. Dieses oder ähnliche Modelle haben wir in allen 28 Büros weltweit umgesetzt. Wir sind derzeit mit einer Rumpfmannschaft am Arbeiten. Covid19-Sofortkredite oder ähnliches haben wir bislang nicht in Anspruch genommen. Wir haben frühzeitig geschaut, dass wir diese Situation finanziell überstehen können und haben eine starke Bilanz.

Von welchem Zeitraum gehen Sie aus?

Ich gehe mal von einem Jahr aus. Aber natürlich auch nur dann, wenn das Geschäft zurückkommen wird. Wir gehen davon aus, dass es Ende dieses Kalenderjahres langsam wieder losgehen wird. Und darauf bereiten wir uns vor.

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag derzeit aus?

Ich bin nach wie vor für unsere Vertriebspartner da, beantworte Fragen, unterstütze. Wir geben Impulse, wie Neubuchungen generiert werden können. Zum Beispiel haben wir schon früh die Regelung „Beruhigt buchen“ ins Leben gerufen. Die AGB wurden gelockert. Zum Beispiel können Kunden bei einer Abreise bis zum 31. Dezember 2020 bis zu 14 Tage vorher kostenlos umbuchen.

Wie unterstützen Sie Ihre Reisebüro-Partner?

Wir haben Banner für Webseite und Social Media angefertigt und haben zahlreiche neue Webinare aufgelegt – mit einem wahnsinnig guten Zuspruch. Trotz Kurzarbeit und Stress sind Expis bereit, sich weiterzubilden, um vorbereitet zu sein, wenn es wieder losgeht.

Werden derzeit tatsächlich Neubuchungen generiert?

Ob Sie es glauben oder nicht – täglich! Ein Drittel der Buchungen sind Neubuchungen, zwei Drittel Umbuchungen auf einen späteren Reisetermin. Wir bieten unseren Kunden ja keine Auszahlung an, sondern ein Reiseguthaben in Höhe von 110 Prozent.

Und die Kunden sind damit einverstanden?

Sicherlich sind nicht alle immer glücklich mit den angebotenen Optionen. Wir haben uns aber vorher rechtlich beraten lassen. Viele andere Länder geben ja bereits ebenfalls Gutscheine aus. Es ist anstrengend, dass es noch kein grünes Licht aus Brüssel gibt.

Welche Reisen buchen die Kunden derzeit?

Überproportional werden Expeditionsreisen zum Beispiel in die Arktis, die Antarktis und nach Galapagos nachgefragt.

Woran liegt das?

Das sind Reisen, die man einmal im Leben macht, quasi ein Punkt auf der Bucketlist. Von solchen Reisen träumen die Leute auch in Krisenzeiten.

Welche Destinationen sind noch nachgefragt?

Ehrlicherweise kann ich noch kaum Unterschiede im Vergleich zu vor der Krise feststellen.

In Ihren Reisen werden meist auch soziale Projekte besucht und unterstützt. Wie geht es diesen in der Krise?

Unsere gemeinnützige Organisation Planeterra betreut 85 soziale Projekte in 51 Ländern. Für die bedürftigsten Projekte zum Beispiel für HIV-positive Waisenkinder in Uganda wurde ein Soforthilfeprogramm gestartet. Durch dieses ist bereits einiges an Geld zusammengekommen. So können wir mit Lebensmitteln und Medikamenten unterstützen.

Wie wird sich das Reisen durch die Krise verändern?

Ich glaube, die Menschen werden das Reisen wieder mehr schätzen lernen. Reisen wird einen anderen, einen höheren Stellenwert bekommen. Und ich glaube, dass die Reisenden wieder mehr Wert auf einen guten Service legen werden. Daher denke ich, dass auch Reisebüros durch diese Krise gewinnen können.

Ute Fiedler
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