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Fehlende Reiseleitung: Reisebüros sind verärgert

Bei sinkenden Gästezahlen sparen die Veranstalter an den Reiseleiterinnen und Reiseleitern

Bei sinkenden Gästezahlen sparen die Veranstalter an den Reiseleiterinnen und Reiseleitern. Foto: TUI

Dass Gäste im Urlaub einen Ansprechpartner vor Ort haben, ist eines der wichtigsten Verkaufsargumente für eine Pauschalreise. Im Moment scheint es allerdings schwierig zu sein, den Veranstaltervertreter auch zu fassen zu bekommen. Immer öfter berichten Reisebüros von Kunden, die sich im Zielgebiet von ihrem Veranstalter im Stich gelassen fühlen, weil ihnen kein Ansprechpartner zur Verfügung steht.

Reisebüro-Inhaberin Bo Diehr von Bo Travel in Löffingen berichtet gegenüber touristik aktuell: „Der Urlaub in diesem Jahr findet meist ohne Reiseleitung vor Ort statt. Bestenfalls gibt es vereinzelt noch einen persönlichen Begrüßungsservice am Airport und/oder Hotel, anschließend aber meist nur noch telefonische Betreuung des örtlichen Agenturservice.“ Sie erinnert sich an Zeiten, als Reiseleitungen Tipps zu Ausflügen bereithielten und sich bei Beschwerden sofort um Abhilfe bemühten. „Das war damals die Regel und ist heute leider oft die Ausnahme“, so Diehr.

Kunden sind in der Pandemie verunsichert, benötigen Ansprechpartner

Kollege Michael Merges vom Reisebüro Beachfinder in Koblenz meint: „Fehlende Reiseleitungen sind grundsätzlich ein Problem. Gerade in der Pandemie ist die Unsicherheit der Kunden besonders groß.“ Und Ines Haustein vom Reisebüro Gornsdorf in Gornsdorf weiß: „Die meisten Kunden berichten, dass keine Reiseleitung vor Ort ist. Unabhängig vom Alter verunsichert das viele.“

Das Problem ist aber nicht nur die oft fehlende Reiseleitung, es sind auch die nicht immer funktionierenden Alternativen, ob per Chat, Telefon oder E-Mail: Kunden berichten, dass sie auf ihre Fragen erst nach Tagen eine Antwort erhalten hätten. Verkaufsexperte Merges kommentiert: „Technische Ansätze für den Ersatz wie sie etwa TUI bietet sind keine Lösung. Was man sich in Hannover wünscht, sieht in der Praxis ganz anders aus. Wir hören immer wieder, dass sich die angebliche 24-Stunden-Hotline erst nach drei Tagen meldet.“

Mario Zieroth vom TUI Reisecenter in Dresden kennt die Problematik und hatte zuletzt zwei betroffene TUI-Kunden auf Kreta. „In unserer Wahrnehmung hat sich die Situation im Zuge der Sparmaßnahmen deutlich verschärft. Vor allem bei Buchungen von Viereinhalb- oder Fünf-Sterne-Hotels empfinden Kunden einen persönlichen Ansprechpartner vor Ort als Qualitätsmerkmal, das TUI früher auszeichnete. Damals gab es zügige Abwicklung und Kulanz. Heute bietet TUI ausschließlich online-basierte Hilfe an und verspielt damit den Ruf eines Qualitätsveranstalters.“

Präsenz wird laut Veranstalter wieder hochgefahren

Die großen Veranstalter sind bemüht, ihre aufgrund der Pandemie verringerte Präsenz vor Ort mit steigenden Gästezahlen wieder hochzufahren. Man bewerte die Lage für jedes Reiseziel kontinuierlich neu, sagt etwa FTI-Chef Ralph Schiller und kündigt an, „dass mehr und mehr Kollegen in den Zielgebieten an ihren Arbeitsplatz zurückkehren“. Das ist bei Alltours vielerorts bereits geschehen: Nach dem Zurückfahren des Personals während der diversen Lockdown-Phasen seien inzwischen in allen Top-Reisezielen wieder Reiseleiter vor Ort, versichert Personalchef Kai Grefling.

Jürgen Heiss, Chef von DER Touristik Destination Service sagt, dass die Zahl der Reiseleiter an die ständig wechselnde Situation angepasst wird. Dabei orientiere man sich vor allem an der Anzahl der offenen Hotels und den Bedürfnissen der Gäste. Auch TUI hat nach eigenen Angaben die Zahl der Repräsentanten zuletzt „sukzessive“ hochgefahren. Mehr noch: In der Wintersaison 2021/2022 will der Marktführer „wieder auf dem Niveau von vor Corona sein“.

Mehr Präsenz bei eigenen Hotelmarken

Wenig verwunderlich ist, dass bei der Präsenz im Reiseziel die eigenen Hotelmarken Vorrang haben. „In den Hotels der eigenen Marken sind unsere Reiseleiter jeden Tag persönlich anzutreffen“, sagt beispielsweise Alltours-Manager Grefling. Bei vielen anderen Hotels laufe die Betreuung zunächst telefonisch.

Schauinsland versichert, dass sich in den wichtigsten Zielgebieten das Verhältnis der Gästezahl zur Anzahl der Reiseleiter im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten nicht geändert hat. Das heißt im Klartext allerdings auch: Weniger Gäste bedeutet weniger Reiseleiter. Hinzu komme das Problem aller Veranstalter, dass es aktuell offenbar schwierig ist, qualifiziertes und erfahrenes Personal zu finden.

Reisebüro-Inhaber Merges hat derweil eine eigene Lösung gefunden: „Wir haben die Konsequenz gezogen und geben jenen Veranstaltern Priorität, die noch eine Reiseleitung vor Ort haben und den gewohnten Service bieten.“ Seine Kollegin Bo Diehr geht einen anderen Weg. „Wir bieten unseren Kunden in dringender Angelegenheit einen eigenen 24/7 Service per Telefon- und Whatsapp-Nummer.“ Dieser sei in dem obligatorischen Beratungsentgelt inkludiert. „Im Notfall übernehmen wir die Lösungssuche mit den Leistungsträgern. Die oft unzumutbaren Telefonschleifen entfallen so für unsere Kunden.“

Mehr zum Thema lesen Sie in der aktuellen Ausgabe 41-42/2021 von touristik aktuell.

 
Julia Treuherz und Arne Hübner
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