Namibia

Namibia: Am Ende der Welt

Endlose Sanddünen, dahinter der kalte Atlantik: die Skeleton Coast.

Endlose Sanddünen, dahinter der kalte Atlantik: die Skeleton Coast. Foto: rfk

Die Skeleton Coast ist ein unwirtlicher Landstrich

Gleichmäßig brummt die Cessna über dem Blau des Atlantiks, parallel zur Brandung. Dahinter nichts als Sand. „Höllensand“ nannten die portugiesischen Seefahrer den bis zu hundert Kilometer breiten Streifen, der sich zwischen der angolanischen und der südafrikanischen Grenze erstreckt, und auf 1.500 Kilometern Länge eine der unwirtlichsten Zonen des Südlichen Afrika bildet.

Vor dichten Nebelbänken, verursacht durch den antarktischen Benguela-Strom, der an den Küsten auf die heiße Namib-Wüste trifft, gab es kein Entrinnen: Unberechenbare Strömungen, heftiger Seegang und Untiefen machten aus vielen Schiffen Wracks. Den Durst- oder Hitzetod erlitt, wer es trotz eisigen Wassers ans Land geschafft hatte, weshalb die Skelettküste als gruseligster Schiffs- und Menschenfriedhof der Welt gefürchtet war. Heute steht dieses Areal, das größer ist als Schleswig-Holstein, als Skeleton Coast National Park unter Naturschutz. Der größte Teil lässt sich nur aus der Vogelperspektive erschließen. Oder gar nicht, wenn es sich um das private Konzessionsgebiet der „Skeleton Coast Wilderness“ handelt: Das vom Staat unter strengen Auflagen verpachtete Territorium umfasst das gesamte nördliche Parkareal bis zur angolanischen Grenze, ist für die Öffentlichkeit gesperrt und deshalb eine der unberührtesten Regionen Namibias geblieben. Vom Landeplatz in Purros noch eine Stunde im geschlossenen Spezialfahrzeug durch bizarre Mondlandschaften, dann ein Warnschild neben der Piste: „Skeleton Coast Park, Private Concession Area, Strictly No Entry.“ Das Skeleton Coast Camp, sechs komfortable Zelte auf hölzernen Plattformen, dient als Expeditionsbasis. Von hier aus starten ganztägige Exkursionen in vierradgetriebenen Landrover-Kastenwagen zur verbotenen Küste, wo die verblichenen Skelette verdursteter Seeleute aufgrund des trockenen Klimas für lange Zeit sichtbar blieben, wie auch die Gerippe gestrandeter Wracks. Zum Beispiel das des britischen Frachters Dunedin Star, der 1942 auf Grund lief. Erstmals in der Geschichte der Skeleton-Shipwrecks war durch moderne Informationstechnik eine Hilfsaktion möglich. Aber trotz Einsatz von Lastwagen, Flugzeugen und vier Großschiffen dauerte die Rettung der hundert Passagiere unter schwierigsten Bedingungen wochenlang. Dabei wurde der Havarieschlepper Sir Charles Elliot selbst zum Wrack, ein Zwölf-Tonnen-Bomber stürzte während der Hilfsaktion ab, zwei Matrosen verloren ihr Leben. Während der Rückfahrt vom windumtosten Höllenstrand ins Camp sehen wir skurrile Landschaftsbilder, aber keine Spuren. Nirgendwo. Außer den eigenen.
Roland F. Karl