Namibia

Vorsicht, Schlange!

Farbspiel in der Kalahari: fahles Gras, ein paar Akazien, stahlblauer Himmel.

Eine Fußsafari in der Kalahari ist ein einmaliges Erlebnis

Schlangen sieht man eher selten. Fotos: sh

„Achtung, Kobra!“, zischt Moses. Ein Ruck geht durch die Gruppe, alle stolpern ein paar Schritte zurück. Erschrocken starren die Safari-Teilnehmer den Guide an. Der kann sich das Grinsen kaum verkneifen. Diese Kobra ist tot.

Eine zwei Meter lange Schlangenleiche, die pergamentartige Haut liegt fast unsichtbar zwischen den weißgelben Grasbüscheln. Entspanntes Aufatmen. „Normalerweise sieht man keine Schlange“, erklärt Moses. „Die sind sofort weg, wenn sie winzige Erschütterungen wahrnehmen.“ Fest stampfen die Touristen mit ihren Wanderschuhen auf.

Aus dem stahlblauen Himmel knallt die Sonne auf die weite Kalahari in Namibia. Fahles Gras und struppige Büsche wachsen auf dem Sandboden. Eine Handvoll Akazien breiten ihre Äste wie Schirme über die Landschaft, die spärlichen Schatten spenden. Die in Khaki gekleidete Gruppe macht zu Fuß eine Safari durch die Savanne – ohne den Schutz eines Geländewagens ein einmaliges Erlebnis.

Moses gehört zum Volk der Buschleute, den besten Fährtenlesern der Welt. Er kennt die Wildnis, folgt Spuren, die nur er sieht, weiß, wo man wilden Tieren begegnet. Die Gruppe sucht Nashörner. Die Jagd nach den Hörnern hat die Populationen fast ausgerottet. Heute bemüht sich die Regierung, die Art wieder im Land anzusiedeln. Auf Farmen sollen die voluminösen Viecher gezüchtet werden. Sie leben dort auf mehreren Tausend Quadratkilometern fast wie in freier Wildbahn.

„Nashörner sind mürrische Wesen, meist schlecht gelaunt und aggressiv“, warnt Moses. „Wenn sie etwas reizt, machen sie es platt. Dann habt ihr nur eine Chance, klettert auf einen Baum“, erläutert der Wildnisführer die Überlebensregel im Umgang mit Spitzmaulnashörnern. Dicht an dicht, in einer Linie pirschen die Beobachter sich durch den Busch. Holzstücke knacken, dürre Zweige knicken und ab und zu klickt eine Kamera. Bei jedem Geräusch zucken sie zusammen.

„Da ist eines“, Moses zeigt in die etwa zweihundert Meter entfernten Büsche. „Keine Angst, es kann euch nicht sehen“, beruhigt er seine Truppe. Die graubraunen Kolosse haben schlechte Augen, können aber exzellent hören und riechen. Der Guide zieht ein mit Asche gefülltes Leinensäckchen aus der Tasche und öffnet es. Der Staub zeigt ihm die Windrichtung. „Alles gut, der Wind steht gegen uns“, flüstert er.

Vorsichtig nähern sie sich den beiden Nashörnern. Ein Tier hebt den Kopf und blickt in Richtung der Menschen. „Es kann euch nicht wahrnehmen“, beruhigt Moses. Das Nashorn senkt seinen Kopf wieder. Die Safariteilnehmer wagen sich weiter vor. Lautlos macht Moses noch einen Schritt. „Ich muss da nicht näher ran“, wispert eine Teilnehmerin. Sie spricht aus, was alle denken.

Irgendwann trollen sich die Tiere und verschwinden im Busch. Langsam entspannen sich die Teilnehmer und gehen fast beschwingt zum sicheren Geländewagen zurück. Schlangen fürchtet keiner mehr.
Silke Haas
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