Tunesien

Der Duft von Jasminblüten

Typische Souvenirs aus dem Töpferdorf Guellala

Schon im Frühling lockt Djerba mit vielen Sonnenscheinstunden

Am Strand bei Houmt Souk auf Djerba: die Festung Bordj el Kebir. Fotos: hs

Als sollten sogar die Dattelpalmen zum Tanzen animiert werden. Als sollte der Frühling mit dem nötigen Schwung begrüßt werden: Irgendwo im Sand der Dünen des noch fast menschenleeren Sidi-Mahrez-Strands schallt an einem Märzvormittag aus einem Kassettenrekorder verpoppte tunesische Folklore in den Morgen.

Jedes Mal, wenn der Refrain einsetzt, zerreißt es fast den Rekorder als wollten die Tamburine und Flöten das altersschwache Plastikgehäuse absprengen. Von irgendwo aus der Ferne ruft der Muezzin vom Minarett einer Moschee lautsprecherverstärkt dazwischen: "Allahu akbar - Allah ist groß."

Ein paar Meter weiter striegeln zwei junge Araber ihre Pferde und schrubben den Stall in den Dünen: musikuntermalte Vorbereitungen für den Saisonstart auf Djerba, Frühlingsarbeiten auf der größten afrikanischen Mittelmeerinsel. In ein paar Tagen schon werden sie wieder Ausritte entlang der kilometerlangen Nord- und Ostküstenstrände anbieten, werden mit ihren Hengsten durchs seichte Wasser bis hinunter zu den Flamingo-Lagunen preschen.

Schon im April ist es auf der Insel vor der Südküste Tunesiens tagsüber im Schnitt mindestens 20 Grad warm. Durchschnittlich neun Sonnenscheinstunden pro Tag haben Statistiker im April gezählt. Obwohl Djerba ganzjährig angeboten wird, kehrt von November bis einschließlich März Winterruhe ein, ehe sich die Leute wieder für den Besucheransturm der neuen Saison rüsten. Mit rund 640 Quadratkilometern ist Djerba zwar Afrikas größte Mittelmeerinsel, misst dennoch nur knapp ein Sechstel der Fläche Mallorcas.

Einheimische hocken fast unter sich in den Straßencafés der Inselhauptstadt Houmt Souk, halten Palaver, schlürfen an zuckersüßem Pfefferminztee, rauchen dazu Schischah, die Wasserpfeife. Vom Sommerrummel und den "Nur kommen, nur gucken, nix kaufen"-Lockrufen der Basarkrämer noch keine Spur.

Eine junge Urlauberin schwärmt ihrem Sitznachbarn in höchsten Tönen von dem Eiland vor. Von schneeweißen Häusern mit schattigen Innenhöfen und von den Minaretten der 250 Moscheen, die wie Zeigefinger in den Himmel ragten. "Und Sehenswürdigkeiten?", fragt ihr Gegenüber. "Tempel? Ruinenstätten? Museen?" Erst mal Schweigen. Die Djerba-Kennerin setzt zaghaft zur Antwort an: "Na ja", meint sie, "keine gigantischen Tempelruinen, keine römischen Amphitheater. Nichts, was man um jeden Preis gesehen haben müsste." Genau das ist es, was den Reiz der Insel ausmacht. Auf Djerba gibt es nichts Pompöses. Nur tunesischen Alltag. Menschen, Landschaften, Situationen. Und sehr viel Strand.

Abends am Pool eines der großen Hotels am Sidi-Mahrez-Strand: Die Luft ist immer noch frühlingshaft mild, der Wind hat Feierabend gemacht, die Sonnenscheibe ist im Westen hinter Olivenbäumen abgetaucht. Ein gutes Dutzend von Urlaubern hockt an diesem Abend hier draußen - in andächtiger Stille, um die Gedanken reisen zu lassen. Und um den Duft der Jasminblüten zu atmen: Frühling auf Djerba.
Helge Sobik