Südafrika

Karoo: Entspannte Einsamkeit

Die Karoo ist nur scheinbar unbelebt...

Vom Zauber der Kleinen und Großen Karoo

... Erdmännchen fühlen sich hier pudelwohl. Fotos: hb

Das erste Erdmännchen krabbelt aus dem Bau, reibt sich die Augen, stellt sich auf die Hinterbeine. Dann erscheint das nächste: Überall kommen sie nun aus dem Boden. Ihre aufmerksamen Augen prüfen Landschaft und Himmel. Doch Feinde sind keine in Sicht. So ist wenig später die ganze Kolonie versammelt. Die Jungtiere toben über den Erdhügel – kleine Fellknäuel mit neugierigen Nasenspitzen. 
„Erdmännchen sind witzig und immer aktiv: Mit ihnen wird es nie langweilig“, sagt Devey Glinister, ein Guide aus der Stadt Oudtshoorn. Jeden Morgen führt er Besucher zu diesen Säugern aus der Mangusten-Familie. Sie sind zwar wild, haben sich aber an Menschen gewöhnt und sehen diese nicht mehr als Bedrohung. „Unsere Region birgt viele solcher Geheimnisse“, weiß Glinister. „Beim Vorbeifahren sieht man nur eine karge Halbwüste. Den Zauber der Landschaft und was in ihr verborgen ist, erkennt man erst auf den zweiten Blick.“
Oudtshoorn liegt in der Kleinen Karoo zwischen Kapstadt und den Städten der Garden Route. Villen und prächtige Höfe sind Zeugen vergangener Zeiten, als der Export von Straußenfedern noch ein formidables Geschäft war. Heute sind Fleisch und Leder der Laufvögel gefragt, wie man bei einer Farmtour erfährt. 
Weiter im Norden liegt die Große Karoo, wo mit Matjiesfontein eine aus der Zeit gefallene viktorianische Siedlung auf Besucher wartet. Auf halber Strecke, hinter dem abenteuerlichen Swartberg-Pass, bietet sich das Örtchen Prince Albert als Stopp an: Dank Weingütern, Feigenplantagen, Olivenbauern und einer Kochschule ist es ein Hotspot für Kulinariker.
Die Wildheit der Karoo, vom „Land des Durstes“ mit seinen Angoraziegen und Merinoschafen unter dem weiten blauen Himmel, erlebt man auch weiter im Osten. Blühende Jacarandabäume und weißleuchtende Häuschen im kapholländischen und viktorianischen Stil schmücken die Stadt Graaff-Reinet. Das „Valley of Desolation“ im nahen Camdeboo-Nationalpark bietet einen spektakulären tiefen Einblick in 200 Millionen Jahre Erdgeschichte. 
Versteckt hinter dem über 2.500 Meter hohen Compassberg liegt das Dorf Nieu-Bethesda. Bis heute gibt es in diesem „dorpie“ in Südafrikas Outback keine Teerstraße, keinen Geldautomaten, keine Tankstelle. Dafür aber reichlich Platz für neue Ideen. Die Künstlerin Helen Martins baute hier ihr Leben lang an einem „Owl House“, dessen Wände mit buntem Glasmehl dekoriert sind und in dessen Garten eine Galerie wunderlicher Figuren Spalier steht. Heute suchen in der Einsamkeit der Karoo viele andere interessante (Lebens-)Künstler nach Inspiration. 
Helge Bendl