Uganda

Bwindi-Nationalpark: Lässiger Silberrücken

Gorilla-Babys beim Spielen und Naschen in den Bäumen. Foto: cb

Die Gorillas im Nationalpark können Besucher auch erschrecken

Ein Besuch bei den Berggorillas in Ugandas Bwindi-Regenwald-Nationalpark erfordert frühes Aufstehen, gute Vorbereitung, Gesundheit, Kondition und einige Investitionen. Steht plötzlich der Anführer der 17-köpfigen Oruzogo-Gorillagruppe, ein Silberrücken mit 220 Kilogramm Lebendgewicht vor dir, ist das alles schlagartig vergessen. Wie seine Familienmitglieder ist er „habituiert“, wurde zwei Jahre lang an die Anwesenheit von Menschen gewöhnt. Entsprechend gelassen vertilgt der Riese Blätter, die er säuberlich von abgebrochenen Zweigen zupft.

In dieser Hinsicht unterscheiden sich die streng vegetarisch lebenden Gorillas, verrät Parkranger John: Manche fressen bis zu 60 Kilo Grünzeug täglich auch samt Zweigen. Doch schon raschelt es oben in den Bäumen. Das ist der Spielplatz der Junggorillas. Unter ihnen biegen sich zwar manche Zweige, brechen aber nicht ab. Bei ihren Eltern wäre das anders. Vergnügt schieben sich auch die Kleinen Blätter in den Mund.

Ruhig bleiben ist das Wichtigste


Die beiden Späher bahnen mit ihren Macheten den Weg durch den Dschungel und führen die kleine Gruppe näher heran. Ein gewaltiges Rappeln schockiert alle. Zweige brechen, weil drei massige Schwarzrücken auf uns zuschießen. Ein Weibchen schwingt mit dem Arm nach dem Bein des vorderen Spähers, der erschrocken seine Machete fallen lässt.

Im Stress bleibt die Ermahnung aus der Einweisung an der Rangerstation, ruhig zu bleiben und sich nicht hektisch zu bewegen, auf der Strecke. Umso klarer wird die Bedeutung der sieben Meter Sicherheitsabstand zu den wilden Tieren, eine weitere Gorillaregel. Während der Späher seine Machete aufsammelt, erklärt John mit leiser Stimme, dass die Gruppe zwischen Eltern und Kindern geraten ist. Eine Situation, in der auch Menschen losgespurtet wären.
Mit Blättern zwischen den Zähnen ist das Familienoberhaupt lässig auf dem Rücken liegen geblieben. Nicht auszudenken, wenn der Hüne die Geduld verloren hätte! Für solche Fälle tragen die Ranger ihre AK-47. Damit würden sie schlimmstenfalls in die Luft schießen, um den Rückzug zu sichern, beruhigt John.
Wege durch den Regenwald gibt es nicht. Festes Schuhwerk ist wichtig. Dornen können Hosen zerreißen. Gartenhandschuhe helfen gegen Stacheln und scharfe Gräser. Im Gänsemarsch und bei gedämpfter Unterhaltung schlagen wir einen Haken und stehen vor einer Idylle: Junge Gorillas kuscheln mit ihren Müttern. Vorsichtig bahnen die Macheten den Kameraobjektiven die Sicht. Diesmal bleibt alles ruhig. Gelegenheit zum Blick auf große Gorillaaugen, in die man nicht hineinschauen soll. Lautes Knacken kündigt den großen Silberrücken an. Die Kameras klicken seltener, das Familienleben und die Rangordnung des Gorillaclans werden intensiv studiert. Viel zu schnell ist die unvergessliche Stunde bei den Primaten vorbei.

Ugandas jährlich 29.000 Erlaubnisse für die Gorillas kosten pro Person 600, in der Regenzeit 450 US-Dollar. Mit den Einnahmen wird der Nationalpark in einer mit 300 Personen pro Quadratkilometer dicht besiedelten Region an den fruchtbaren Ruwenzori-Hängen unter- und die Bevölkerung vom Wildern abgehalten.

Unterwegs im Undurchdringlichen

Um fünf Uhr früh serviert die Trackers Safari Lodge Frühstück, gefolgt von anderthalb Stunden Fahrt zur Ruhija-Rangerstation. Ranger Albert vermittelt, dass Rauchen, Blitzlicht, Essen und Trinken in der Nähe der Gorillas verboten sind. Nach Aufteilung in Achtergruppen geht es mit John im Landcruiser bis auf 2.400 Meter hoch, zum Treffen mit den Rucksackträgern, die Besucher gegebenenfalls auch schieben oder ziehen. Seit 1994 zählt der „undurchdringliche“ Nationalpark mit 160 Baum- und 100 Farnarten zum Weltnaturerbe.

Bergauf führt der Weg durch eine Teeplantage. „Gorillas mögen keinen Tee“, erläutert John den doppelten Nutzen der Plantage. Über Funk verständigt er sich mit den Spähern, die an den Ort der letzten Sichtung zurückkehren und Spuren, Kot und abgeknickten Zweigen folgen. So dauert der Fußmarsch von Nationalparkgrenze bis zur Oruzogo-Gruppe nur eine halbe Stunde.
In Bwindi leben rund 400 der 880 Berggorillas, die sich dank strengen Schutzes vermehren. Besucher erhalten ein Zertifikat der Uganda Wildlife Authority; Informationen in englischer Sprache gibt es unter www.ugandawildlife.org.

Christian Boergen