Südafrika

Johannesburg: Stadt im Wandel

Dass sich Johannesburg gerade neu erfindet, erlebt man in den hippen Vierteln der südafrikanischen Millionenmetropole

Hier schlägt es, das Herz der Stadt, und es schlägt so laut, dass man es schon von Weitem hören kann. Beats wummern durch die Straßen Mabonengs, dem Viertel, in dem die Kunstszene Johannesburgs zu Hause ist und man am Wochenende Party macht. „Früher hätte sich niemand hergetraut, aus Angst vor Gangstern“, ‧erzählt Gerald Garner. Der Stadtführer arbeitet nebenan in „Joziburg Lane“, einer Art Fußgängerzone mit Designer-Läden, Food Court und 300 Lofts in ‧einem Art-déco-Schmuckstück.

Die Innenstadt hat eben nicht mehr wie einst mit viel Bandenkriminalität zu kämpfen. Verschmitzt zeigt Garner auf den Boden, wo sich im Pflaster des Gehwegs ein Loch auftut. „Die Leute klauen fast nur noch Gullydeckel und verhökern sie im Schrotthandel. Wer nicht aufpasst, fällt rein.“

WM als Initialzündung

Auferstanden aus Ruinen: In den vergangenen zehn Jahren – die Entscheidung für die Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft im Jahr 2010 gilt als Initialzündung – hat sich in Johannesburg viel getan. „Die schlimmen Jahre sind vorbei“, sagt Garner. Südafrikas größte Metropole hat zwar nach wie vor ein Problem mit der Gewaltkriminalität. Doch die Innenstadt ist nicht mehr jene No-go-Area, die es in den 90er Jahren war. Fußgänger flanieren, Touristen buchen geführte Touren.

Johannesburg ist eine relativ junge Stadt, gegründet erst 1896 im Goldrausch. Im Rand Club verkehrten die Profiteure: Barney Barnato und Cecil Rhodes, aber auch der Deutsche Alfred Beit zählte zu den mächtigen „Randlords“. Ein paar Schritte weiter steht noch das Gebäude, in dem Nelson Mandela einst seine Kanzlei hatte.

Motto: „Alles ist möglich“

In Johannesburgs 100 Jahre alten Lagerhallen und Elektrizitätskraftwerken der Fox Street sind eine Craft Brewery und ein Restaurant eingezogen. Es gibt nun Essensstände und Designermode, coole Souvenirs und Auftritte lokaler Bands. Street-Art-Künstler verwandeln alltagsgraue, triste Brückenpfeiler in bunte Kunst. „Things are possible“ steht an ‧einer Fassade, so etwas wie das neue inoffizielle Lebensmotto.

Im Viertel Braamfontein nahe der Wits-Universität hängen in den Bars und auf dem Neighbourgoods Market die jungen schwarzen Hipster ab, gestylt als seien sie auf dem Laufsteg. Aus den Jazzclubs rund um das Market Theatre klingen wie eh und je die Saxophone, nur kommen die Musiker inzwischen auch aus dem Kongo und dem Senegal.

Vor zehn Jahren startete die Transformation im Maboneng Precinct mit der Umwandlung von fünf Lagergebäuden ins Kulturzentrum „Arts on Main“. Inzwischen gibt es zwischen den Coffee Shops und Restaurants ein Programmkino mit Indie-Filmen, das Museum of African Design und ein Pop-up-Theater. Viele Südafrikaner, aber auch Besucher aus dem Ausland wollen nun plötzlich lieber wieder im Zentrum leben statt in der Peripherie. Denn Johannesburgs Innenstadt ist in Bewegung: Hier schlägt es wieder, das junge alte Herz der Stadt.

Von Helge Bendl