Thailand

Bangkok: Der zwölfte Mann

Was ein thailändischer Mönch mit dem neuen englischen Fußballmeister Leicester City zu tun hat

Leicester City, ein gipsgrauer Fußballclub aus der kaum bekannten Provinzstadt in den englischen Midlands, wurde gerade zum ersten Mal englischer Meister. Und alle Welt rätselt, wie es dazu kommen konnte: Ein Team ohne Stars ist den Glamourclubs aus London und Manchester um mehr als eine Nasenlänge voraus und setzt sich selbst die goldene Krone auf. 
Glücksamulette für alle
9.560 Kilometer südöstlich von Leicester ist man sich sicher zu wissen, warum das so passiert ist. 9.560 Kilometer südöstlich liegt Bangkok. Und mittendrin der buddhistische Tempel Wat Traimit. 
Dort wohnt der zwölfter Mann von Leicester City, dem sie in Thailand den großen Erfolg des Fußballclubs zuschreiben: Chao Khun Thongchai, ein hoher Abt. Der Besitzer von Leicester City, Vichai Srivaddhanaprabha, ist einer der reichsten Thais und hat den 64-jährigen Mönch zu Beginn der Saison eingeladen und gebeten, den Rasen des heimischen Stadions und seine Spieler zu segnen, was in Thailand durchaus üblich ist.
Zudem stattete der Mönch die Spieler mit jeweils drei Glücksamuletten aus und er meditierte bei jeder ihrer Begegnungen. „So sende ich ihnen positive Energie“, sagt der Abt, der vom Fußball keine Ahnung hat, weder die Regeln kennt noch andere Mannschaften.
Die Saison nahm also ihren Lauf. Und derjenige, der vor der Spielzeit 100 Pfund auf Leicester als Meister setzte, streicht jetzt 500.000 Pfund ein. Es ist verbrieft, dass Chao Khun Thongchai nicht gewettet hat. 
Der Zufall will es (ein Buddhist würde sagen: die Bestimmung ist), dass dieser Mönch in dem Kloster in Bangkok beheimatet ist, das den Buddha beherbergt, der auf ebenso wundersame Weise von einem Gips-Buddha zu einem echt goldenen Buddha mutierte.
Der Buddha von Wat Traimit in Bangkoks Chinatown ist der wertvollste mit der kuriosesten Vergangenheit: Die Figur stammt aus dem 14. Jahrhundert, einer Zeit, in der die Burmesen zeitweise in Thailand einfielen und plünderten. Deshalb wurde die goldene Statue mit einer unscheinbaren Gipsschicht überzogen.
Die Burmesen fielen auf den Trick herein und ließen die scheinbar wertlose Figur außer Acht. Der wahre Kern geriet im Laufe der Zeit aber auch bei den Thailändern in Vergessenheit. Es dauerte schließlich bis ins 20. Jahrhundert und es bedurfte eines großen Zufalls, um den wahren Wert wiederzuentdecken.
1955, als der vermeintliche Gips-Buddha ins Wat Traimit umquartiert wurde, fiel er beim Transport versehentlich zu Boden. Der Gipsmantel sprang, und zum Vorschein kam blankes Gold. Schnell entdeckte man, dass die Figur nicht nur vergoldet ist, wie die meisten Buddhas im Land, sondern aus insgesamt sechs Tonnen massivem, 18-karätigem Gold besteht: ein unschätzbarer Wert.
Und jetzt die Volleyballerinnen
Chao Khun Thongchai ist indes weiter aktiv. Die Volleyball-Frauen-Nationalmannschaft von Thailand reist diese Woche nach Japan, wo es um die Qualifikation für die Olympischen Spiele im Sommer in Rio geht. Thailands Team konnte sich bislang noch nie qualifizieren.
Der Abt aber sagte bei der Segnung der Spielerinnen und des Trainers: „Die Mannschaft wird sich für die Olympics 2016 qualifizieren!“ Das ist vielleicht der passende Zeitpunkt, mal auf die Wettquoten für dieses Turnier zu schauen. 
Jochen Müssig