Indien

Indien: Tempel, Berge, Aussteiger

Moped-Taxis in Chennai.

Moped-Taxis in Chennai. Foto: stock.xchng

Tamil Nadu bietet alles, was zu einem Indien-Urlaub gehört

Die Treppen sind eintönig, steil und endlos. Doch sie haben ihr Gutes. Denn mit jedem Schritt entfernt man sich ein Stückchen mehr vom Lärm von Tirucchirappalli. Die Abgase von Hunderten von Motorrollern werden dünner, der Blick auf die südindische Stadt besser. Von oben wirkt sie wie ein Wunder aus Dächern und Tempeln – eingehüllt in eine feine Smog-Schicht, als hätten es die Götter so gewollt. Wir sind auf dem Rock-Fort-Tempel, einer britisch-indischen Festung, die auf den Mauern einer Zitadelle der Chola-Dynastie entstand und heute dem Gott Vinayaka geweiht ist. Tirucchirappalli ist nicht die Hauptstadt, aber die zentrale Metropole von Tamil Nadu. Der Unionsstaat liegt im äußersten Südosten Indiens und fällt zunächst durch Namen auf, die selbst Einheimischen zu umständlich sind: Tirucchirappalli wird vor Ort nur als Trichy bezeichnet, der Bergort Udhagamandalam als Ooty. Auch die 2006 vorgenommene Änderung in traditionelle Namen sorgt für Verwirrung: Madras heißt seitdem Chennai und die Weltkulturerbestätten von Mahabalipuram liegen seitdem offiziell in Mamallapuram. Den Reiz dieses tropischen Landes kann das babylonische Sprachwirrwarr nicht lindern – im Gegenteil. Für Eingeweihte ist Tamil Nadu das perfekte Gegenstück zu Rajasthan im Nordwesten Indiens: bunt, vielfältig und multikulturell. Mit Tempelanlagen wie denen in Madurai und Tanjore, bei deren Besuch Touristen die Luft anhalten. Mit Bergorten und Wasserfällen, in denen sie wieder ausatmen können. Und mit dem südlichsten Ort Indiens: Kanniyakumari. Das Cap Comorin ist für Inder von ähnlicher Bedeutung wie für Südamerikaner das Kap Hoorn. Auch, weil hier Mahatma Gandhi die letzte Ruhe fand. An seinem Geburtstag fallen die Sonnenstrahlen exakt auf den Punkt, an dem man die Urne aufbewahrt hatte, bevor die Asche Gandhis ins Meer gestreut wurde. Selbst für Aussteiger ist Tamil Nadu ein Ziel. Allerdings erinnert das südlich von Chennai gelegene Auroville nicht im Geringsten an die Hippie-Enklave Goa. Vor 50 Jahren gegründet, ist Auroville noch heute eine internationale Vision. Ein Ort, in dem Menschen aus der ganzen Welt mit?einander leben und erhaben sind über Nationalität, Religion, Hautfarbe und politische Einstellung. Spiritueller Mittelpunkt des weiträumig angelegten Dorfes, in dem derzeit rund 1.400 Menschen aus 35 Ländern leben, ist der Kugelbau des Matrimandir. Größter Erfolg der Kommune: Aus dem einstigen Ödland ist durch intensives Aufforsten eine grüne Oase entstanden, die sich nahezu autark und dazu auch noch ökologisch korrekt versorgen kann. Aus touristischer Sicht interessanter ist die nahegelegene Provinzhauptstadt Pondicherry. Sie war früher französische Kolonie – und das lässt die Pondi genannte Stadt auch heute noch an allen Ecken und Enden ?spüren, fühlen, riechen. Vor allem auf der dem Meer zugewandten Seite der Stadt prägen Bäckereien das Bild, in denen man Baguette und Croissants kaufen kann. Die Straßen heißen Rue oder Avenue, im Supermarkt gibt es Leberwurst, und die Architektur ist kolonial geprägt. Eine wunderbare Abwechslung vom indischen Alltag. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Matthias Gürtler

 

Mit Ikarus durch Indien
Eine Tour durch Tamil Nadu bietet unter anderem Ikarus Tours. Sie beginnt in Chennai und führt von dort aus nach Mahabalipuram, Pondicherry, Trichy und Madurai. Der zweite Teil der Reise ist Kerala gewidmet – mit Stationen in Kumarakom, den Backwaters von Alleppey und Cochin.