Israel

Oasen der Ruhe in Jerusalem

Blick vom Österreichischen Hospiz auf die Altstadt mit dem Felsendom im Hintergrund.

Blick vom Österreichischen Hospiz auf die Altstadt mit dem Felsendom im Hintergrund. Foto: jmw

In der turbulenten Altstadt von spricht man auch Deutsch

Direkt hinter dem mächtigen Damaskustor fängt der Orient an. Lautstark bieten Obst- und Gemüsehändler ihre Waren an, Konditoren präsentieren auf riesigen Blechen klebrig-süßes Naschwerk, Frauen mit Kopftuch hocken auf dem Boden und suchen Abnehmer für ihre Minzeblätter, und die zahlreichen Schmuck-, Schuh-, Bekleidungs- und Uhrenverkäufer buhlen ebenso um Kundschaft, wie die unzähligen Souvenirhändler. Hier, im quirligen und lärmenden muslimischen Viertel der Jerusalemer Altstadt, ganz in der Nähe des mächtigen Felsendoms und der Al-Aksa-Moschee, können die Touristen tief eintauchen in die Welt eines arabischen Basars. Mit ihrer unermesslichen Fülle an Angeboten, ihren Gerüchen und Geräuschen ist diese ebenso faszinierend wie verwirrend. Doch wer sich als deutscher Urlauber inmitten dieses mitunter anstrengenden Treibens nach Ruhe sehnt, findet in der Altstadt gleich mehrere deutschsprachige Oasen, in denen er abschalten und sich erholen kann. Nur wenige Meter von der häufig überfüllten, weil von Besuchern aller Konfessionen gern besuchten, Grabeskirche entfernt, befindet sich die deutsche Evangelische Erlöserkirche, die 1898 von Kaiser Wilhelm II. eingeweiht wurde. Das Gotteshaus ist tagsüber geöffnet und lädt zum Verweilen und Nachdenken ein. Wer möchte, kann an Wochentagen mittags auch an einer kurzen Andacht teilnehmen oder aber den schlanken Turm besteigen. Von dort aus bietet sich den Besuchern bei gutem Wetter ein wunderschöner Blick auf die gesamte Stadt und die Judäische Wüste bis hinunter zum Toten Meer. Wer sich dagegen mitten im Orient nach ein wenig Wiener Gemütlichkeit sehnt, sollte das Österreichische Hospiz besuchen, das direkt an der Via Dolorosa liegt. Im Café des Hauses stehen Sachertorte mit Schlagobers, Apfelstrudel und weitere Spezialitäten aus der Alpen-Republik auf der Karte. Alles wird von meist deutschen oder österreichischen Mitarbeitern in einer Atmosphäre serviert, die an das Wien des Jahres 1960 erinnert. Und vielleicht zieht es gerade deshalb so viele Gäste aus den deutschsprachigen Ländern hierher. Vom Dach des Hauses bietet sich zudem ein wunderbarer Blick auf den Felsendom mit seiner goldenen Kuppel und den nahen Ölberg. Nach der Stärkung kann die Entdeckungstour weitergehen. Auf der anderen Seite der Altstadt, genau auf dem Berg Zion, liegt die Dormitio-Abtei, die bereits seit dem Jahr 1910 von der deutschsprachigen Gemeinschaft der katholischen Benediktiner betrieben wird. Auch hier finden Gottesdienste statt, die von Gästen besucht werden können – und ebenso wie die Erlöserkirche ist die Abtei ein Ort der Stille und der Andacht in der oftmals ebenso lauten wie turbulenten Altstadt. Auf dem Rückweg ins Hotel oder in die jüdische Neustadt können Besucher dann noch einen Abstecher in das jüdische, christliche und armenische Viertel machen – Quartiere, die jeweils einen ganz eigenen Charakter besitzen und in denen die Religion das Leben der Bewohner bestimmt. Die Altstadt von Jerusalem ist eben ein Ort, der wirklich für jeden etwas bereithält.
Jörg-Michael Weiss