China

Macau: Halb mediterran, halb fernöstlich

Fernab des Trubels in der Boom City: Auf Coloane geht es gemächlich zu.

Fernab des Trubels in der Boom City: Auf Coloane geht es gemächlich zu. Foto: fh

Auf der Insel Coloane zeigt Macau seine dörfliche Seite

Wenn Coloane nur wenige westliche Besucher sieht, dann weil die meisten nur für einen Tagesauflug nach Macau kommen. Schnell einen Blick in die Casinos, rauf zur Kathedrale und ein Spaziergang durch die Altstadt, dann geht es zurück nach Hongkong. Macau abgehakt.

Dabei ist die Insel Coloane nur wenige Taximinuten entfernt. Wenn es denn noch eine Insel ist. Denn mit der Abgeschiedenheit ist es, zumindest verkehrstechnisch, erst einmal vorbei. Seit Macau vor lauter Casino-Einnahmen gar nicht mehr weiß, wohin mit dem Geld, wurde enorm in die Infrastruktur investiert. Und mit der gewaltigen Landaufschüttung von Cotai auch die Insel Coloane kurzerhand mit der Insel Taipa vereint. Quasi über Nacht wurden die meisten Karten und Reiseführer obsolet.

So schnell füllt die Sonderverwaltungszone ihre Lücken auf, schüttet Buchten zu und erweitert das Stadtgebiet, dass niemand mehr so recht weiß, wie groß Macau eigentlich ist. Wahrscheinlich sind es um die 29 Quadratkilometer. Noch vor dreißig Jahren war Macau nur halb so groß.

Macau wächst also zusammen. Doch in Coloane Village, dem ehemaligen Vorposten, hat sich wenig geändert, Coloane ist und bleibt ein Dorf. Wo die Menschen im Café Zeitung lesen, Seniorinnen, den Stock an die Parkbank gelehnt, stundenlang Karten spielen und sogar Ausländer noch einen heimlichen Blick wert sind.

Die dörfliche Mischung freilich kann sich nicht recht entscheiden, ob sie lieber portugiesisch oder chinesisch wirken möchte. Mediterrane Cafés, Restaurants und Kirchen beschwören die koloniale Vergangenheit herauf. Vor allem die Igreja de Sao Francisco Xavier überrascht mit geradezu überirdischer Atmosphäre. Doch daneben liegen chinesische Läden, typisch kantonesische Apartments mit Neonlicht und Bambusliege vor der Haustür. Schon für diese Erkenntnis ist Coloane sehenswert: In Macau leben nicht nur Bauarbeiter und Croupiers, sondern ganz normale Menschen.

Ein wenig weiter liegt der schwarze Hac-Sa-Strand. Wer hierher kommt, hat meist nicht den Badeanzug, sondern die Zahnstocher in der Tasche. Bei Spießchen, Bier und Snacks plauschen die Anwohner in der Dämmerung, im Sommer vielleicht auch im Licht der Fackeln. Während in Macau City jede Stunde Millionen Euro über den Spieltisch gehen, geht es hier vor allem um eine Frage: Was gibt es denn heute zum Nachtisch?
Françoise Hauser
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