Malaysia

Malaysia: Der Tiger vor der Tür

130 Millionen Jahre sind eine Menge Holz – im Taman-Negara-Nationalpark sogar sprichwörtlich

Immer wieder zischen die Geschosse durch das dichte Blätterdach und schlagen knapp neben den Wanderern ein, während die Angreifer mit grölendem Gelächter durch die Wipfel jagen. Gefährlich ist die Szene freilich nicht: Es sind wilde Affenhorden, die sich den Nachmittag vertreiben und Obst von den Bäumen werfen. Ohnehin wird die sportliche Übung schnell langweilig. Weithin hörbar, aber unsichtbar schwingt die Bande zum Fluss, irgendwo in der schier endlosen Wildnis, zwischen Modergeruch und Blätterwald.

Eigentlich gilt Westmalaysia nicht gerade als die wildeste Ecke Asiens. Gäbe es da nicht das 4.340 Quadratkilometer große Gebiet ursprünglichen tropischen Regenwaldes, mitten auf der Halbinsel gelegen. Das Besondere: Der Taman-Negara-Nationalpark ist nicht nur der älteste Regenwald der Erde, er ist auch gut erschlossen – und dennoch einer der wenigen Orte weltweit, an denen man einem wilden Tiger oder Rhinozeros begegnen könnte!

Hunderte Kilometer von Wegen durchziehen das Areal, bis hin zum 2.187 Meter hohen Gunung Tahan. Um ihn zu erobern, braucht es Profi-Ausrüstung und mindestens neun Tage Zeit. Weniger strapaziös sind die vielen Hügel, wie der Bukit Teresik oder der Bukit Indah. Und subjektiv mindestens genauso hoch, wenn man sie bei 90 Prozent Luftfeuchtigkeit und 35 Grad im Schatten erklimmen will. Schafft es der Wanderer trotz tropischer Hitze, bieten sich betörende Ausblicke: Bis zum Horizont zieht sich das dichte Grün, geradezu ohrenbetäubend das Zirpen der Grillen.

Wirklich still wird es im Taman Negara sowieso nie. Selbst nachts tröten Vögel, Affen und allerhand zwielichtiges Getier um die Wette und kreischen ihre Reviermarkierungen in die völlige Dunkelheit. Wird es zwischendrin einmal auffallend still, ist das auch nicht weniger aufregend. Warum bitte hört man jetzt gar nichts mehr? Steht jetzt der Tiger vor der Tür?

Mit dem schwindenden Sonnenlicht ahnt der Besucher mehr gefühlt ?als gewusst: Mittendrin liegen die ?Hotels, weitab der Zivilisation. Wer das wahre Dschungelgefühl sucht, übernachtet in einer der vielen Hütten entlang der Wege. Hier, im sicheren Ausguck des Obergeschosses, lässt sich durchaus nachts der eine oder andere Tapir, ein Wildschwein und vielleicht sogar ein Elefant oder Leopard erspähen.

Alle anderen optieren vielleicht eher für die letzten Annehmlichkeiten der Zivilisation. Betten zum Beispiel. Immerhin elf verschiedene Unterkünfte bietet der Taman Negara, vom Hostel mit schlackerndem Ventilator an der Decke und Moskitonetz bis zum komfortablen Mutiara Resort mit drei Sternen, das als Hotel oder Baustein etwa bei Suntrips buchbar ist. Drei bis vier Tage sollte man für den Nationalpark inklusive Anreise allemal einplanen. Falls der Tiger auf sich warten lässt.
Françoise Hauser