Oman

Das Muskelspiel von Muscat

Die Altstadt von Muscat liegt im zerklüfteten Faltenwurf des Hajar-Gebirges.

Omans Hauptstadt trainiert ihre touristische Anziehungskraft

In den Souks von Muscat wird Silber nach Gewicht verkauft.

Blaupause: In Muscat gibt es gegenwärtig viele Baustellen. Fotos: pa

Reiseführerin Raheema treibt ihre Schäfchen zusammen. Im Bus strengt sich die Klimaanlage an und draußen die Sonne. Schon vormittags sind es fast 40 Grad, schnell rein in die rollende Kühlbox. Es geht in die omanische Hauptstadt Muscat.

Raheema trägt ein rotgemustertes Kopftuch, obwohl der Schleierzwang aufgehoben wurde, und eine schwarze Abaya, die auf dem Boden schleift. „Entschuldigen Sie, wenn ich Fehler mache“, informiert sie über das Mikrofon. „Aber durch das Fasten bin ich nicht ganz klar im Kopf.“

Es ist Ramadan, der islamische Fastenmonat. Raheema hat heute noch nichts gegessen und getrunken. Auch Touristen können ihre Wasserflasche in diesen Wochen nur hinter zugezogenen Gardinen zücken.

Hinter dem Mond der Morgenland-Traditionen leben Muscats Einwohner aber längst nicht mehr. Komplexe Shopping Malls, ausladende Autohäuser und moderne Geschäftsviertel bestimmen die pieksaubere Neustadt. An der Universität gibt es mittlerweile eine Männerquote, weil die Frauen ihre neue Bildungschancen emsig nutzen.

Unter Sultan Qaboos, der seit vierzig Jahren das Land verwandelt, sind vier Ministerämter mit Frauen besetzt, darunter die Tourismusministerin Rajiha Abdul Ameer Ali. Gegenwärtig fällt der Fremdenverkehr mit drei Prozent ins omanische Wirtschaftsgewicht.

Das Sultanat setzt auf den Tourismus als Alternative zu endlichen Rohstoffen wie Öl, Erdgas und Kupfer. In Muscats Botschaftsviertel wird ein neues Tourismusministerium errichtet, und die Hotelprojekte im Land sind zahlreich. Nordwestlich von Muscat entsteht unter dem Titel „Blaue Stadt“ ein Tourismuszentrum und auf einer künstlichen Insel das Mega-Resort The Wave mit Hotels, Yachthafen und Golfplatz.

Monumentale Baustellen sind auch das neue Opernhaus und die „Panoramastraße“ zur Entspannung des wüsten Innenstadtverkehrs. Der Flug?hafen von Muscat soll bis 2012 ausgebaut werden und dann zwölf Millionen Passagiere verkraften. Vor zwei Jahren wurden dort erst vier Millionen Fluggäste abgefertigt.

So hoch hinaus wie das Übermorgenland Dubai, Schmiede von Superlativen, will Oman aber nicht: Neubauten dürfen nicht mehr als zehn Stockwerke haben. Statt Wolkenkratzern sind lang gestreckte Resorts wie The Chedi in Muscat entstanden, ein Design-Hotel mit Spielereien wie einem Black Pool und ohne Makel. Auch sollen sich weniger internationale Investoren bereichern: Im Zuge der „Omanisierung“ erhalten Unternehmen, die über 70 Prozent Omanis beschäftigen, Unterstützung durch die Regierung.

Die traditionelle Seite der Stadt, die sich mit 700.000 Einwohnern zwischen den Golf von Oman und die Ausläufer des Hajar-Gebirges faltet, lebt neben den Umbauarbeiten munter weiter. Wer in ein landestypisches Restaurant einkehrt, „bestellt keinen Tisch, sondern einen Teppich“, sagt Raheema.

Für den Besuch der Großen Moschee gilt: Andere Glaubensrichtungen werden im Land respektiert, hier jedoch nicht. Frauen müssen sich vom Scheitel bis zu den Fußgelenken sorgfältig verhüllen, wenn sie den Prachtbau mit dem angeblich größten Kristalllüster der Welt bewundern wollen.

In den Souks mischen sich Frauen in schwarzer Abaya mit Männern in weißer Dishdasha wie Schachfiguren. Das Repertoire der Märkte: Silbergeschmeide, Parfüm, Kleidung, Plastik – und über allem eine süßliche Weihrauchwolke. „Der helle Weihrauch ist der beste“, berät Raheema. Nicht nur zur Beduftung von Kleidung dient den Omanis das Räucherwerk, sondern auch als Mittel gegen allerlei Zipperlein. „Manche Mediziner glauben sogar an eine Heilkraft bei Krebsleiden.“
Pilar Aschenbach
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