Malaysia

Curryduft und Seepferdchen

Historisches Boutique-Hotel: das Cheong Fatt Tze Mansion.

In Georgetown auf Penang ist ein einmaliges multikulturelles Erbe bewahrt

Neben chinesischen Pagoden stehen Hindu-Tempel und Moscheen. Fotos: mw

Grimmig dreinblickende daoistische Wächterfiguren bewachen die chinesische Pagode. Die heilige Stätte hinter dem Eingangsportal verschwindet im Nebel von Räucherkerzen. Beißender Schwefelgeruch hängt in der Luft. Funken sprühen. Knallkörper explodieren. Gläubige verneigen sich vor lokalen Gottheiten. Chinesischer Ahnenkult.

Nur wenige Schritte entfernt dringen schrille Töne von Trompeten, Trommeln und Schellen herüber. Hindus feiern ein Tempelfest. Dunkelhäutige Priester, Stirn und nackte Oberkörper mit weißen Zeichen bemalt, waschen den Elefantengott Ganesh.Hinter zweigeschossigen Shop-Häusern, in denen unten gearbeitet und oben gewohnt wird, ragt das Minarett einer großen Moschee hervor. Der Muezzin ruft die Gläubigen zum Abendgebet. Fast gleichzeitig erklingen die Glocken einer benachbarten christlichen Kirche. Daneben erinnern eindrucksvolle, in strahlendem Weiß erhaltene Verwaltungsbauten an die britische Kolonialzeit.

Eine solche Vielfalt von Religionsstätten und historischer Architektur auf engem Raum, ein so friedliches Mit- oder Nebeneinander von Chinesen und Indern, malaiischen Moslems und Christen ist wohl einmalig in Südostasien. In der Altstadt von Georgetown, der Hauptstadt der Insel Penang in West-Malaysia, ist das kulturelle Erbe von 230 Jahren bewahrt worden.Seit 2008 gehört sie zum Weltkulturerbe. "Das hat verhindert, dass die Büro- und Wohntürme aus Stahl, Glas und Beton bis ins historische Zentrum vordringen konnten", sagt Janet Pillai von der Nichtregierungsorganisation CHAT, die sich um die Erhaltung der Altstadt bemüht.

Aber Grundstückspekulationen und Sanierungsarbeiten an den Häusern, die nicht in Übereinstimmung mit den Unesco-Richtlinien erfolgten, gefährden den prestigeträchtigen Status. "Wir müssen uns vorsehen, dass die Unesco uns nicht von der Liste streicht", mahnt Pillai. Vereinzelt würden Eigentümer auch ihre Häuser verfallen lassen, um dort Schwalbennester zu züchten. Eine Delikatesse für manche Chinesen, die dafür einen hohen Preis zahlen. Doch gleichzeitig wachse das Bewusstsein, über welch großen Schatz die Einwohner von Georgetown verfügten, meint Pillai. Immer mehr Initiativen kämpften inzwischen für den Erhalt dieser einzigartigen Struktur.

Einzigartig ist nicht nur die historische Architektur, sondern auch das Leben, mit dem sie wie zu Kolonialzeiten erfüllt ist. Aus engen Gassen dringt der Duft scharfer Currygerichte. Barbiere frisieren ihre Kunden bei geöffneten Türen und Fenstern. In Apotheken wird traditionelle chinesische Medizin wie getrocknete Seepferdchen, Skorpione oder Pulver aus Hirschgeweih verkauft. Inder in ihren Schneidereien bieten unaufdringlich feinstes Tuch an. Ein Kunsthandwerker stemmt mit einem scharfen Eisen chinesische Schriftzeichen in ein Holzschild. Die großen, bemalten Laternen die unter den Dächern chinesischer Tempel leuchten, stellt ein alter Meister seines Fachs in seiner Werkstatt her. Viele der Shop-Häuser beherbergen alte Manufakturen. Das jeweilige Handwerk wird hier noch von Generation zu Generation weitergegeben.

Einige der alten Häuser wurden durch Wanddurchbrüche zusammengefasst und in von außen nicht erkennbare Boutique-Hotels verwandelt. "Das darf nicht überhand nehmen", warnt Pillai. Aber es seien in diesen Fällen immer die Fassaden erhalten worden. Am Rande der Altstadt sticht ein Hotel schon durch seinen kobaltblauen Anstrich hervor. Es ist das nach dem chinesischen Kaufmann und einstigen Vizekonsul benannte Cheong Fatt Tze Mansion, eine nach Feng-Shui-Prinzipien errichtete Familienresidenz aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Angeblich gibt es außerhalb Chinas nur zwei ähnliche Häuser in Jakarta und Manila. Die Zimmerpreise sind erschwinglich. Aber auch für Gäste, die dort nicht wohnen, werden einstündige Führungen angeboten. Eine wunderbare Gelegenheit, in die Atmosphäre des früheren Wohnhauses einer chinesischen Handelsfamilie einzutauchen.
Michael Winckler