Oman

Der Delfinflüsterer

Kuriose Attraktion: Mohammed Ba kann in den Fjorden von Musandam jederzeit Delfine anlocken. Foto: hs

Musandam - eine stille Welt in Arabiens Fjorden

Der Mann mit der schneeweißen Djellaba an Deck des Bootes spricht die fremde Sprache klanglich perfekt. Aber er weiß nicht, was er sagt. Das ist nicht schlimm. Es ist so ähnlich wie bei der Verständigung mit Händen und Füßen unter Menschen. „Es reicht, dass das Gegenüber spürt, wie sehr man sich füreinander interessiert“, sagt er, formt die Hände wieder zu einem Trichter, legt sie an die Lippen, und aus seiner Kehle gluckst, klickt und pfeift es in schneller Folge.

Mohammed Ba aus der Kleinstadt Khasab ist „Delfinflüsterer“. Niemand anderes kann diese Geräusche so machen wie er, keiner durch den Trichter aus Händen diese Klänge so täuschend echt hervorbringen, niemand auf ein oder zwei Fingern so pfeifen und eine solche Vielfalt von Tönen hervorzaubern. Er ruft mit seinen Lauten verlässlich binnen kürzester Zeit die Delfinfamilien der Umgebung herbei und bringt sie dazu, neben dem alten Holzboot im warmen Wasser der omanischen Fjorde von Musandam am Ausgang des Persischen Golfs zu tanzen. Und irgendwie scheinen sie sich zu freuen, ihn zu sehen – als käme ein gern gesehener Verwandter wie jeden Vormittag kurz zum Plausch vorbei.

Mit neunzehn hat Mohammed Ba die Sprache der Delfine gelernt. „Durch Zufall“, sagt er. „Ich habe es einfach ausprobiert.“ Er war schwimmen vor Telegraph Island im Fjord nicht weit von der winzigen Fischersiedlung Qannak entfernt, als das erste Mal Bottlenose-Delfine auftauchten. Sie stupsten ihn mit der Nase an, wollten offenbar mit ihm spielen, machten diese Geräusche – und er versuchte zu antworten.

Inzwischen unterhalten sie sich fließend und scheinen über die Jahre Freunde geworden zu sein. „Es gibt sehr viele Delfine in unseren Fjorden“, erzählt er. „Die größeren der drei Arten sind scheu, die kleineren Bottlenose-Delfine aber sind seltsam zutraulich.“ Sie haben sich einen stillen Winkel des Planeten für ihre Begegnungen ausgesucht. Und einen schönen: Bizarre Berge türmen sich hier auf, als hätte ein Riese vor Millionen Jahren mit einer resoluten Handbewegung zwei Haufen Erde zusammengeschoben und in der Sekunde des höchsten Aufbäumens an der Wasserlinie erstarren lassen.

Die omanische Exklave Musandam grenzt an die Straße von Hormus am Ausgangspunkt des Persischen Golfs. Der Landzipfel ist weltfern, noch immer kaum erschlossen, eine Halbinsel ungefähr halb so groß wie die Ferieninsel Mallorca und von weniger als 30.000 Menschen bewohnt, mit 2.000 Meter hohen Bergen und einer schmalen Passstraße über den Jebel Harim.

Vor allem Tauch- und Schnorchelurlauber entdecken inzwischen das omanische Unterwasserparadies. Jeden Tag starten in der kleinen Hafenstadt Khasab mittlerweile zu Ausflugsschiffen umgerüstete Dhaus, traditionelle arabische Handelsschiffe im Fischkutterformat, mit Tagesbesuchern vor allem aus Dubai und Abu Dhabi zu Schnorchel- und Tauchausflügen – und zur Delfinbeobachtung.

Plötzlich spritzt es, klatscht es. Und es schnattert. Zwei Delfine sind vor dem Kiel der Dhau emporgeschnellt und ein paar Meter weiter wieder eingetaucht, ehe jemand an Bord den Fotoapparat hochreißen und auslösen konnte. Zwei weitere machen es ihnen nach, als ob sie den Mann in der weißen Djellaba rufen gehört haben und „Hallo“ antworten wollen. Sie schnattern durcheinander, machen Klick-Geräusche – und scheinen zwischendurch mit ihren langen Schnauzen zu lächeln.


Helge Sobik
Anzeige