China

Ghetto, Geister, Seitenwagen

Stadtrundfahrt im Motorrad mit Beiwagen

Drei ungewöhnliche Wege durch Shanghai

Hongkou, ehemaliges jüdisches Viertel

Von den modernen Fassaden Pudongs sollte man sich nicht täuschen lassen: Manch ein Bewohner Shanghais ist Hunderte von Jahren alt. Dass ausgerechnet wir Ausländer diese Alteingesessenen nicht kennen, liegt schlicht daran, dass sie unsichtbar sind, und Europäer einfach kein Auge für Geister haben.

Hier kommt die Shanghai Ghost Tour ins Spiel: Nach Einbruch der Dunkelheit führen die Guides von Newman Tours (www.newmantours.com) zu den schaurigen Ecken der Millionenmetropole. Auf eigenes Risiko - denn geht es nach chinesischem Glauben, ist die Begegnung mit Dämonen eine kniffelige Sache. Egal, ob es sich um einen Verkehrsunfall oder eine vergeigte Prüfung handelt, nicht selten hat ein Geist seine Finger im Spiel. Hungrige Seelen, deren Nachfahren nicht den Regeln der Ahnenverehrung folgen, Tote, die noch offene Rechnungen haben und Menschen, die gewaltsam ins Jenseits befördert wurden: Sie alle geistern übellaunig durch Shanghai.

Gleich zu Beginn der nächtlichen Tour geht es daher zum Jing'an-Tempel, um untertänigst den Beistand der Götter zu erbitten. Durch dunkle Gassen, gruselige Tempel und schließlich zum Jing'an Park führt der Weg, wo Wassergeister den Passanten dann auflauern werden.

Hongkou? Die wenigsten ausländischen Besucher landen aus freien Stücken in diesem nordöstlich gelegenen Distrikt der Stadt. Es sei denn, sie buchen eine Tour des israelischen Journalisten Dvir Bar-Gal (www.shanghai-jews.com). Mehrmals pro Woche führt er Kleingruppen durch das ehemalige Judenviertel Shanghais. Als einziger Ort der Welt verlangte Shanghai in den 30er Jahren kein Einreisevisum - daher kamen mehr als 20.000 deutsche und österreichische Juden per Schiff hierher.

Auf dem Weg vom Peace Hotel bis zur Ohel Moishe Synagoge und den engen Gassen der verzweigten Hinterhöfe des Hongkouer Tilanqiao-Viertels lässt Bar-Gal die Geschichte wieder aufleben. Hautnah, denn während der mehrstündigen Tour stehen auch die ehemaligen Wohnhäuser der Emigranten und die Ausstellung der Synagoge auf dem Programm.

Bei Shanghai Sideways (www.shanghaisideways.com) finden die individuellen Stadtrundfahrten mit Vintage-Motorrädern aus den 30er Jahren statt, passend zu einer Metropole, die just in jener Zeit weltberühmt war für Glanz, Glamour und Nightlife. Seit 2008 brettern die Guides daher auf Changjiang 750ccm-Maschinen durch die Stadt, den Nachbauten der russischen Ural-Beiwagen, die wiederum eine Kopie der 1930er BMW waren.

Dem Transportmittel angemessen sind auch die Stationen: Sicher, die klassischen Sehenswürdigkeiten sind dabei, aber auch schräge Attraktionen wie Asiens größtes Schlachthaus oder der Heiratsmarkt von Shanghai.

All jenen, die danach den unwiderstehlichen Drang bekommen, sprichwörtlich dem Sonnenuntergang entgegenzufahren, kann ebenfalls geholfen werden: Bei Sideways Escape (www.sidewaysescape.com) lassen sich Touren von bis zu vier Wochen Länge (samt temporärem chinesischem Führerschein) arrangieren. 
Françoise Hauser
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