Sir Bani Yas ist eine geheimnisvolle Safari-Insel im Persischen Golf
Sie waren die Könige der Wüste, zogen zu Tausenden über die gesamte Arabische Halbinsel – und verschwanden nahezu im Nichts: zurückgedrängt, gejagt, ausgerottet. Einer hat sie besonders geliebt, gehegt, geschützt. Er gab ihnen so etwas wie Asyl und nahm sie in sein ganz privates Reich mit: Scheich Zayed, langjähriger Herrscher von Abu Dhabi.Über zwei Jahrzehnte ist es jetzt her, dass er zehn der vom Aussterben bedrohten Oryx-Antilopen auf seine Privatinsel Sir Bani Yas bringen ließ. Das Eiland ist 170 Kilometer Luftlinie von der Stadt Abu Dhabi entfernt, eine Tagesreise per Yacht oder 250 Straßenkilometer bis Jebel Dhanna im Norden des Emirats nahe der Grenze zu Katar. Von dort aus ist es mit dem Schnellboot nur eine knappe Viertelstunde über die acht Kilometer breite Meerenge bis auf die einstige Privatinsel des Scheichs im Persischen Golf. Sie ist die größte der acht Inseln, die gemeinsam den Archipel der Desert Islands bilden – und ist Naturschutzgebiet und seit jüngerer Zeit auch Hideaway für Luxus-Urlauber geworden.
Am Horizont schiebt sich gerade ein Safari-Fahrzeug über den Hügel, ein paar Kameras richten sich aus dem khakifarbenen Auto mit offenem Heck auf die Tiere. Fotolinsen reflektieren das Sonnenlicht. Jetzt trägt der Wind Stimmen herüber, einzelne Worte. Einer sagt so etwas wie „Wow“, und eine Frau ruft voller Begeisterung auf Englisch „Are they real?“. Die Antwort trägt der Wind woanders hin. Sie dürfte ungefähr so gelautet haben: „They are real! Und es ist die größte Herde arabischer Oryx auf der Welt. Alles in allem 426 Tiere.“ Der Mann entwickelte mit der Zeit eine richtige Antilopen-Leidenschaft, siedelte weitere Unterarten an, dazu arabische Sand-Gazellen – alles in allem inzwischen 10.000 Tiere.
Wann immer er konnte, verbrachte der Scheich Zeit in seinem Palast auf der Insel, sog die Stille fernab allen Boomtown-Rummels in sich auf und beobachtete vom Geländewagen aus mit dem Feldstecher „seine“ Antilopen in einer Landschaft wie zu Zeiten seiner Väter: ohne Straßenbeleuchtung, ganz ohne Fabriken, fast ohne Häuser.
2004 starb Scheich Zayed hochbetagt. Vier Jahre später wurde die Insel, die ungefähr so groß wie Sylt ist, schrittweise für die Allgemeinheit geöffnet. Als erstes Hotel auf Sir Bani Yas wurde vor ein paar Jahren ein Fünf-Sterne-Haus der thailändischen Luxuskette Anantara eröffnet – mit nur 64 Zimmern, eigenem Spa und gleich drei Restaurants. Erst dieses Jahr folgte die erste von zunächst zwei geplanten luxuriösen Lodges, die Al Yamm Villas, die ebenfalls von Anantara gemanagt werden. Am 1. Dezember sollen die Al Sahel Villas folgen.
Über dreieinhalb Millionen Pflanzen hat Scheich Zayed auf der einstmals nichts als sandigen Insel setzen, versteckte Bewässerungsleitungen legen und so einen Garten auf Steppensand entstehen lassen. Falsche Erwartungen wecken will dennoch niemand: Die Insel ist kein Kenia, nicht so grün wie die Masai Mara, längst nicht so artenreich wie die Serengeti Tansanias. Aber sie bündelt die Natur der Arabischen Halbinsel auf engem Raum, ist ein kleines Paradies – geschaffen aus dem Antrieb heraus, die Heimat der Väter zu erhalten.