Malaysia

Der Flug der Fledermäuse

Der Gunung-Mulu-Nationalpark im Bundesstaat Sarawak: In seinen Höhlen leben ...

Höhlenerkundung im Regenwald von Borneo

... Millionen von Fledermäusen. Fotos: mw

Es dämmert im Gunung-Mulu-Nationalpark auf Borneo. Die Freifläche vor der Deer Cave gleicht einem natürlichen Amphitheater. Besucher blicken erwartungsvoll in den Tropenhimmel. Es ist die Zeit der Fledermäuse. Drei Millionen versammeln sich jeden Abend am Eingang eines der längsten Höhlendurchgänge der Welt.

Das Schwirren wird lauter. Die Tiere formieren sich zu Kreiseln, dann zieht ein Brausen durch die Luft, in mehreren Formationen fliegen die Fledermäuse in die einbrechende Nacht. Wie Drachen am Himmel ziehen die Verbände ihrer Nahrungsaufnahme entgegen und kehren erst bei Sonnenaufgang zur Höhle zurück. Die Fledermäuse fressen Insekten, was den angenehmen Effekt hat, dass hier abends nicht – wie sonst in den Tropen – Moskitos die Menschen plagen.

Es ist mehr als 30 Grad, die Luftfeuchtigkeit beträgt fast 100 Prozent. Die feucht-heiße Luft vermischt sich mit einem beißenden Geruch. Millionen Fledermäuse hinterlassen ihre Spuren. So sind die Wege durch den mehr als zwei Kilometer langen Höhlentunnel oft glitschig. Sie erfordern unbedingt rutschfeste Schuhe. Das Ausmaß der Höhle ist gewaltig – bis zu 220 Meter breit und 120 Meter hoch. „Ein ganzer Flugzeugpark hätte hier Platz, und die Spitze von St. Paul’s Cathedral würde nicht die Decke berühren“, sagt der Ranger Hii Jk Ting.

Der Gunung-Mulu-Nationalpark, benannt nach seinem mit 2.376 Metern höchsten, von Regenwald bewachsenem Berg, gehört zum Welterbe der Unesco. Von den zahlreichen Höhlen kann aus Sicherheitsgründen nur ein Teil ohne offizielle Genehmigung ?erkundet werden – stets in Begleitung eines Führers.

Die meisten Besucher erreichen den Park mit einer Propellermaschine, etwa von Kuching aus. Der Eingang liegt nur wenige Autominuten von dem kleinen Flughafen entfernt. Ausgeschilderte und nachts beleuchtete Plankenwege führen durch den von Flüssen und Bächen durchzogenen Regenwald. Je nach Höhenlage und Bodenart gedeihen bis zu zwölf unterschiedliche Wälder.

Makaken und Gibbons leben hier, der Zwerghirsch, viele Vögel, etwa der Nashornvogel, das Wappentier Sarawaks, und Reptilien. „Tiere sieht man hier eher selten“, sagt Ting, „sie meiden den Menschen.“ Dafür wird unsere Nachtwanderung von einem lautstarken Froschkonzert begleitet.

Gleich neben der Deer Cave der Eingang zur Lang Cave, die nach ihrem Entdecker benannt wurde. 1977 führte er die erste Forschergruppe zu dieser Zauberwelt aus Tropfsteinen. Mit einem schmalen Boot fahren wir auf dem Fluss zur Wind Cave, die ihren Namen einem immerwährenden, kühlenden Luftstrom verdankt. Daneben führen 200 Stufen steil hinauf: Hier gelangt man zur Clearwater Cave, einem der größten Höhlensysteme Südostasiens.
Michael Winckler