Thailand

Das Pfeifen im Regenwalde

Ausgangspunkt der Tour: Mueang Sing mit seinen alten Khmer-Bauten

Radtour zur legendären Brücke am River Kwai

Der Colonel Bogey March ist ein Ohrwurm ersten Ranges, in Deutschland besser bekannt als Werbemelodie für einen Magenbitter: „Komm doch mit auf den Underberg!“ Im Film „Die Brücke am Kwai“ tirilieren britische Soldaten die unverwüstliche Marschmelodie. Allein der Gedanke, in wenigen Stunden die weltberühmte Brücke am River Kwai zu erblicken, genügt, und schon kriecht der Gassenhauer aus den hintersten Hirnwindungen hervor.

Doch bevor das namhafte Bauwerk in der Stadt Kanchanaburi erreicht ist, wird mancher noch aus dem letzten Loch pfeifen. Zumindest bei der sportlichen Anreisevariante: per Drahtesel ab Mueang Sing, rund 50 Kilometer Richtung Kanchanaburi-Stadt.

Mueang Sing ist eine alte Siedlung des Khmer-Volks. Sie wird als „Geschichtspark“ vermarktet. Die dunklen Ruinen in der adrett herausgeputzten Anlage vermitteln einen äußerst morbiden Charme. Die Rasenflächen sind fast englisch. Nur stellenweise dürfen ein paar Wurzeln über die alten Steine klettern. Das laute Zwitschern tropischer Piepmätze sorgt gleichwohl für Regenwaldatmosphäre.

Die „Stadt der Löwen“ ist beliebter Start- und Zielpunkt für Radtouren zur River Kwai Bridge. Die Provinz Kanchanaburi ist prädestiniert fürs Radeln: asphaltierte, nicht zu steile Überlandstraßen in reizvoller Naturkulisse. Dichte Regenwälder und endlose Kulturlandschaften wechseln sich ab, flankiert vom Fluss Mae Klong und seinen Oberläufen Khwae Noi und Khwae Yai. Letzterer ist als River Kwai geläufiger.

Die Trekking-Räder sind fahrbereit, die Ketten gut geölt. Fahrrad-Guide Narit begleitet uns. Sein Kollege Yo folgt in einem Van. Mit an Bord: gekühlte Wasservorräte und Flickzeug. Der Veranstalter hat uns Radler ausdrücklich an die wichtigsten Utensilien ‧erinnert: Kopfbedeckung, Sonnenschutz und luftige, atmungsaktive Stoffe. Mückenschutz könne dank des Fahrtwinds vernachlässigt werden.

Relativ flach geht es nordwestlich, Richtung Kanchanaburi. Kilometerlang begleiten uns Felder und sattgrüne Plantagen: Reis, Maniok, Bananen, Zuckerrüben. Die üppige Naturkulisse lohnt die Mühen des Radelns. Vorbeifahrende Mopeds und Pick‧-ups – viele hoffnungslos über‧laden – hupen uns aufmunternd zu.

Verschnaufpause in einem der unzähligen Dörfer entlang der Route. Es ist Markttag. Auf den Tischen stapeln sich Meeres- und Gartenfrüchte. Vor allem saftige Melonen sind jetzt gefragt. Und die Wasservorräte in unserem Begleitfahrzeug.

Nach ein paar weiteren Kilometern wird der Mae Klong überquert. Von einer wuchtigen Brücke bietet sich ein Panoramablick auf Bergzüge im Hintergrund. Dort irgendwo liegt die nahe Grenze zu Myanmar. Die Gegend war immer wieder Schauplatz von bewaffneten Konflikten.

Auch die Expansion Japans im Zweiten Weltkrieg hinterließ hier schlimme Spuren: Der Bau der Eisenbahn‧linie samt River Kwai Bridge schlug eine Schneise der Verwüstung. Tausende Kriegsgefangene ließen ihr Leben. Deshalb auch der Beiname Death Railway. Der Mae Klong weiß viel, aber sagt nichts. Trübe und trotzdem sehr majestätisch strömt er dahin, bis in den Golf von Thailand.

Kurz vor Kanchanaburi erreichen wir Ausläufer eines Regenwalds. Die Stadt 250 Kilometer nordwestlich von Bangkok gilt als Thailands Tor zum Dschungel. Wie bestellt wackelt ein Elefant aus dem Dickicht. Neben sich ein Elefantenbaby und auf sich eine bunt gekleidete Touristin.

Im Merchandising- und Ablichtradius um die Brücke herrscht reger Betrieb. Touristen drängeln sich um Souvenirstände mit Edelsteinen und ihren Imitaten. Die Provinz hat bedeutende Saphirvorkommen. Marktfrauen bereiten Imbisse zu. Es riecht nach Frittierfett und scharfen Saucen. Ein CD-Verkäufer beschallt die Umgebung mit amerikanischer Country-Musik.

Mit einem lauten Hupen rattert der Mittagszug über die River Kwai Bridge – und gibt sie damit wieder für die Blicke frei. Sofort stürmen Dutzende Besucher, kamerabewaffnet, auf das berühmte Bauwerk. Die nahen Hügel liefern eine prächtige Kulisse für Erinnerungsfotos.

Das Begehen der Brücke ist zwar erlaubt, aber nicht ungefährlich. In den Holzplanken klaffen einige kapitale Lücken. Es droht Zehnmeterbrett-Feeling ohne Anlauf und Badehose, dafür mit Überraschungseffekt. 
Martin Cyris
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