Japan

Familienurlaub unter Dampf

Der Besuch der Thermal-Bäder ist in Nippon ein Ritual mit festen Regeln.

Sogar im Onsen-Bad sind Kinder gern gesehen

Trotzdem sind kleine Gäste willkommen – auch die traditionellen Bademäntel gibt es in entsprechenden Größen. Fotos: fh

Japan als Familiendestination? In Deutschland eine echte Randerscheinung. Dabei besticht Japan mit Sicherheit, guter medizinischer Versorgung und vor allem viel Kinderfreundlichkeit. Kinder sind einfach immer dabei, ohne dass es der Rede wert wäre. Zum Beispiel auch in den Onsen-Bädern, der fernöstlichen Mischung aus gehobenen Wellness-Palästen und Kurorten. Doch geht das auch mit einem westlichen Kind?

Europäer sind in den Onsen nicht gerne ge‧sehen, hört man hier und da, trauen ihnen die Japaner doch schlicht nicht die strikte Etikette und Sauberkeit zu, die die Onsen-‧Bäder voraussetzen. Vor allem auf der Nordinsel Hokkaido sollen russische Besucher schon mit Anlauf und Arschbombe der meditativen Stimmung den Todesstoß versetzt haben, so die Legende.

Von derartigen Vorurteilen ist an der Rezeption des Onsen in Sakunami allerdings wenig zu spüren. Trotz bestenfalls rudimentärer Englischkenntnisse zuckt die Angestellte mit keiner Wimper. Kurz unter der Theke gekramt, taucht sie mit einer Sammlung Klapptafeln in der Hand wieder auf. Die Vorführung der englischen Instruktionen erinnert an das Stewardessen-Ballett im Flugzeug: Leise sein, vorher waschen, keine Wäsche darin einweichen und bitte nach dem Bad nicht den Stöpsel ziehen. Das ist auch für Ausländer mit Kind zu schaffen. Dazu gibt es ein traditionelles Yukata-Baumwollgewand, ein Handtuch und ein paar viel zu kleine Plastikschlappen.

Und das Kind? Die Angestellte öffnet den benachbarten Wandschrank. Darin liegt, ordentlich gefaltet, dieselbe Ausstattung noch einmal in kleinen Größen. Per Handzeichen erfragt sie das Alter – sechs Jahre –, dann übernimmt der Concierge, schiebt die Gäste in den Fahrstuhl und drückt sogar noch die richtigen Knöpfe. Zwischendrin steigt eine fröhliche Runde Japaner im Bademantel zu. „Mama, der Mann hat einen Waschlappen auf dem Kopf.“ Stimmt. „Das mach ich aber nicht.“ Muss man auch nicht. Oder?

Drinnen im Onsen heißt es erst einmal ordentlich abschrubben. Im Becken trudeln einige Zitronenscheiben, was ein bisschen an Zitronentee erinnert und sich auch so anfühlt, denn das Wasser ist brühend heiß. Sicher ist: Die Russen haben ihre Arschbombe ganz bestimmt bereut.

Auch die Sache mit dem Waschlappen klärt sich auf. Denn: Wohin damit? Wie geistig Verwirrte sitzen schließlich auch die Ausländer mit dem Lappen auf dem Kopf im Becken. Vor dem Fenster sprudelt ein wilder Bach, bis auf das leise Gegurgel des Wassers herrscht erholsame Stille. Leider muss man die Szenerie eher schnell genießen. Zehn Minuten, länger hält der Westeuropäer die heißen Fluten nicht aus. In der Umkleidekabine ist das Kind erstmals Aufmerksamkeit wert: Gerne möchten die älteren Damen beim Föhnen helfen – so weiche Haare!

Beim Check-out an der Rezeption geht die Kommunikation noch mal ans Eingemachte: Nach einigem Radebrechen und Blättern im Wörterbuch steht die Botschaft: Übernachten kann man hier auch, signalisiert die Angestellte, und weil nach Zimmern und nicht nach Personen bezahlt wird, sind Kinder natürlich umsonst.
Françoise Hauser