Usbekistan

Die tüchtigen Frauen an der Seidenstraße

Beliebter Treffpunkt in Buchara: der Labi Hauz.

Zu Gast bei einer usbekischen Großfamilie

Saodat (rechts) mit ihrer Mutter und ihrer ‧Schwägerin. Fotos: kw

Der Reisebus passt kaum in die Straße am Stadtrand von Shahrisabz, dem antiken Kesch der Seidenstraße. Dort wartet hinter einer Hoftür eine üppig gedeckte Tafel im Innenhof auf die Studienreisenden. Programmpunkt: zu Gast bei einer Familie, und das ist in Usbekistan immer eine Großfamilie. Saodat führt hier unter der Obhut ihrer Mutter Regie. Gastgeberin für Touristen zu sein ist im Haus die neue Lebensperspektive. Saodats Vater lebt nicht mehr, der Mann hat sie verlassen, der Bruder die Arbeit im Ausland verloren. Da müssen die Frauen ran, um sich und den Nachwuchs durchzubringen.

Dabei hatte alles so vielversprechend für Saodat begonnen. Sie hatte sich in den Beau des Viertels verliebt, prompt „mussten“ die beiden heiraten. Die Hochzeitsfeier dauerte Tage. Danach zog sie wie in Usbekistan üblich ins Haus der Schwiegereltern – und versagte in deren Augen. Ausgerechnet zu der Zeit, als ihre Arbeitskraft besonders gebraucht wurde, erkrankte sie. Nach dem Krankenhausaufenthalt schickte die Schwiegermutter sie mit den beiden kleinen Söhnen in den Urlaub zur Mutter. Dort erfuhr sie ein paar Tage später am Telefon, dass sie geschieden sei. So schnell kann das gehen in dem jungen islamischen Staat.

Einer geschiedenen Frau bleiben kaum Möglichkeiten in Usbekistan. Saodat fand eine. Sie beköstigt Reisegruppen mit allem, was der fruchtbare Boden gerade hergibt. „Was für Europäer bekömmlich ist und welche strengen Hygienemaßnahmen sie befolgen muss, haben wir ihr beigebracht“, sagt Gebeco-Guide Ruslan. Saodat ist für ihn „ein Gewinn“: „Ihr Schicksal erlaubt einen Blick hinter die Fassaden.“

An den Fassaden schillert das Land zwischen Geschichten von 1001 Nacht und den Überresten der prachtvollen muslimischen Architektur an der alten Seidenstraße. Ruslan hat die Gruppe von Taschkent übers fruchtbare Ferganatal in die Wüstenfestungsstadt Chiwa geführt. Im schmucken Harem wird klar, dass das Umfeld der Tausendundeiner Nacht so lange nicht her ist.

Noch seine Urgroßtante wurde eine Haremsdame, erzählt Ruslan. Allerdings ohne Luxusleben. Hinter den blauweißen Kacheln musste sie ihren Lebensunterhalt durch Sticken verdienen, denn der Khan war nicht reich. Dieses Leben hatte mit der russischen Eroberung 1920 ein Ende, die Großtante kam zurück in die Familie, für eine Heirat war sie aber „kontaminiert“. „Wir hatten Glück, von den Russen und nicht von den Engländern erobert zu werden“, sagt Ruslan mit Blick auf islamistische Bestrebungen in den Nachbarländern. „Wir leben fest in sunnitischer Tradition, aber ohne Burka.“ Heute wirkt Usbekistan in der Region wie eine Oase des Friedens.

Den Besuch von Ausgrabungen vornomadischer Festungen in der Roten Wüste nahe dem Aralsee schließt ein Essen in einer Jurte ab. In Buchara sitzt die Gruppe unter Maulbeerbäumen am Becken Labi Hauz wie zu Marco Polos Zeiten. Ringsherum verkaufen Frauen mit Goldgebissen in den Koranschulen Seide, Stickereien und Schmuck. Doch der Höhepunkt auf den Spuren der großen Karawanen von China nach Europa bleibt Samarkand mit seinem Registan und der Majolika-Gräberstadt.

Karin Willen

Buchungsinfos
Viele Studien- und Erlebnis‧reiseveranstalter bieten Usbekistan an. Gebeco beispielsweise hat neun verschiedene Gruppenreisen im Programm, darunter auch die große 16-tägige Usbekistan-Rundreise ab 1.895 Euro.

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