China

Mai Po: Wo Hongkong Touristen den Vogel zeigt

Blick von Mai Po auf die Sonderwirtschaftszone Shenzhen

Blick von Mai Po auf die Sonderwirtschaftszone Shenzhen. Foto: fh

Ein Besuch im Feuchtgebiet Mai Po zwischen Hongkong und Shenzhen

Downunder-Reisende aus Europa kennen das Problem: Lange Flugzeiten verlangen geradezu nach einem Stopover. In Hongkong zum Beispiel. Mit dieser Vorliebe stehen Reisende nicht alleine da. Auch unter Zugvögeln ist die Metropole ein heißer Tipp, die meisten von ihnen tun sogar das, was sich das Hong Kong Tourist Board auch von den Menschen wünschen würde: Sie kommen wieder, jedes Jahr.

Freilich landen sie nicht in den Hochhausschluchten von Kowloon, sondern im Norden der New Territories. Was dem Europäer die Shopping- und Food-Distrikte der Innenstadt, sind dem Kranich die Shrimp-Teiche und Krabben im Watt des Feuchtgebiets von Mai Po: Für Seafood können sich eben Mensch und Tier begeistern.

Vogelparadies Hongkong
Mehr als 120.000 Zugvögel sind es jedes Jahr, die am Ufer der Deep Bay auf dem Weg ins Winterquartier hier Halt machen: Kraniche, Schuhlöffler, Grünschenkel und mehr als 400 andere Vogelarten wird man sehen. Mai Po ist ein wichtiger Teil der „East Asian-Australasian Flyway“, also der Zugvogel-Route aus Ostasien gen Süden. Und manche bleiben sogar gleich ganz da. So oder so, das Gute daran ist: Man kann ihnen zuschauen beim Rasten und Shrimps fangen.

Das fast 400 Hektar große Gebiet ist seit 1995 nicht nur Naturschutzgebiet, sondern auch Teil der Ramsar Wetland Convention. Gut ausgebaut ist es auch: In zehn Beobachtungshütten lauern Naturfreunde auf seltene Sichtungen. Besonders zu den Vogelzugzeiten zwischen Oktober und Dezember sowie im März und April tummeln sich in Mai Po Unmengen von Vögeln und versetzen jeden Hobby-Ornithologen in Verzückung.

Alle anderen Besucher auch: Immerhin 40.000 Besucher zählt das Feuchtgebiet jedes Jahr. Man muss wahrlich kein Biologe sein, um diese idyllische Landschaft genießen zu können: Rechts und links der Wege glitzern Kanäle und Seen in der Sonne, zwischendrin immer wieder Mangrovenhaine, Schilffelder und Bäume, über und über besetzt mit Kormoranen. Im goldenen Licht der Abendsonne umweht Mai Po einen Hauch von Afrika, während im Watt direkt am Wasser fast schon norddeutsche Atmosphäre herrscht.

Kontrastreiche Aussichten

Was dem Ambiente die Krone aufsetzt, quasi das optische Pieace de Resistance, ist der Horizont: Wie eine Fototapete ragen die Wolkenkratzer der volksrepublikanischen Wirtschaftssonderzone Shenzhen in den Himmel, drängen sich bis auf den letzten Zentimeter der Grenzregion an Mai Po heran. Übergangslos treffen hier Einsamkeit und brodelnde Großstadt aufeinander. Ganz zwangsläufig fragt sich der Betrachter: Was wird aus dem kostbaren Land, wenn Hongkong 2047 komplett in chinesische Hände übergeht und die zwei Mega-Städte zusammenwachsen?

Bis dahin ist Mai Po freilich aus lokaler Sicht „fernab vom Schuss“ und, zumindest in den Augen der meisten Touristen, so untypisch für Hongkong, wie es nur geht. Vielleicht ist es genau deshalb ein echter Geheimtipp geblieben. Und wie es sich für einen solchen gehört, kommt man gar nicht so einfach hinein.

Ausländische Besucher melden sich auf der Website der Hongkonger Sektion des WWF unter www.wwf.org.hk/en/your_support/gomaipo/ für eine der geführten Touren an oder beantragen über dieselbe Seite eine individuelle Besuchsgenehmigung.
Francoise Hauser
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