Kirgisistan

Zu Gast im Dshaijloo

Grasende Pferde Anfang September auf 3.000 Metern Höhe

Grasende Pferde Anfang September auf 3.000 Metern Höhe

Mehr Berge als die Schweiz – und die sind voller Pferde

Mountain-Biker aus Deutschland am Sonkul-See südlich der Hauptstadt Bischkek

Mountain-Biker aus Deutschland am Sonkul-See südlich der Hauptstadt Bischkek

Aidar verbringt mit seiner Familie sowie seinen Pferden und Schafen jeden Sommer im Hochland

Aidar verbringt mit seiner Familie sowie seinen Pferden und Schafen jeden Sommer im Hochland. Fotos: mg, Michael Macsenaere

Wir liegen noch in den Schlafsäcken, als sich unsere Jurte öffnet und unsere Gastgeberin in feinstem Russisch verkündet: „Dobroi utro – Guten Morgen! Euer Frühstück ist fertig. Aufstehen!“

Mit diesen Worten befestigt sie die große, schwere Decke, die über Nacht als Tür unserer Jurte gedient hat, an einem Holmen. Schlagartig breitet sich im Inneren das Sonnenlicht aus: Jurten werden mit der Öffnung nach Osten aufgebaut. Der Eingang heißt Bosogo und ist einer von rund 30 Teilen einer gewaltigen Gitterkonstruktion.

Freude auf den Samowar

Unsere Gastgeberin verschwindet in die benachbarte Frühstücksjurte und bereitet den Tee für uns vor. Nicht nur der Samowar, auch der Ofen brodelt, als wir wenige Minuten später Platz nehmen. Die Wärme tut gut: Draußen sind es rund sieben Grad unter Null, der Winter schickt hier in 3.000 Metern Höhe am Son-Kul-See in Kirgisistan seine ersten Vorboten ins Land.

Gestern noch hat es heftig geschneit. Jetzt ist der Himmel strahlend blau und der Schnee glitzert im Licht. Nicht weit von uns suchen Herden von Schafen und Pferden nach ersten Taulücken.

Für sie sind es die letzten Tage auf dieser Hochebene im Tienschan-Gebirge, den Winter verbringen sie im Tal. Wenn sie nicht im Kochtopf landen: Die kirgisische Küche ist fleischlastig. Und Pferd gehört auf fast jede Speisekarte.

Es sind Tausende von Pferden, die jedes Jahr von Mitte Mai bis Mitte September im Hochland des Tienschan leben. Zumeist sind sie in Herden von bis zu 50 Tieren unterwegs – für Touristen ein wunderbarer Anblick. Frei und unbeschwert galoppieren sie über die Ebene, kein Zaun engt sie ein. „Sie rennen nicht weg – und sie kennen ihre Besitzer“, sagt unser Gastgeber Aidar.

Jeden Sommer verbringt der 62-Jährige, der aussieht wie 70, mit Frau und Sohn in seinem Dshaijloo genannten Sommercamp am Son-Kul-See, um Pferde und Schafe zu weiden. Während seine Frau kocht und wäscht, steht er zumeist mit dem Fernglas vor der Jurte. Im Blick hat er seine Tiere – und ankommende Touristen.

Die sind ein einträgliches Nebengeschäft: In der Gästejurte stehen sechs Betten, eine Übernachtung inklusive Frühstück und Abendbrot kostet zwölf Euro pro Person. Die Nachfrage ist gut: „Der Tourismus nach Kirgisistan wächst langsam, aber stetig. Und fast alle Touristen kommen an den großen Seen vorbei, dem Yssükol und dem Son Kul“, erzählt Michael, der mit seiner Agentur Kyrgyzland Tourist Trekking- und Bike-Touren sowie Bergbesteigungen organisiert.

Grundlage für den Trend ist die gute Sicherheitslage und die verhältnismäßig gute Infrastruktur. Zwar gibt es in Kirgisistan keinen ausgeprägten Gruppentourismus wie in Usbekistan. Doch auf kleinere Gruppen und Individualreisende ist man hervorragend eingestellt.

So gibt es überall dort, wo es touristisch interessant ist, von Familien geführte Pensionen und Gästehäuser. Sie atmen zumeist den Charme der 80er Jahre, sind jedoch zweckmäßig eingerichtet und äußerst sauber. Und das Frühstück ist (fast) immer großartig.

Landschaftlich kann es Kirgisistan ohnehin mit den schönsten Ländern dieser Welt aufnehmen. 90 Prozent des Landes liegen über 1.500 Meter, im äußersten Süden ragen die 7.000er des Pamir in den Himmel, im Osten die des Tienschan. Die Zahl der Vier- und Fünftausender geht in die Tausende, viele von ihnen sind unbestiegen.

Auch die Kultur kommt nicht zu kurz

Auch Kultur hat das Land an der Seidenstraße zu bieten – wenn auch nicht in dem Maße wie der Nachbar Usbekistan: Auf dem Weg von Naryn in Richtung des chinesischen Kashgar wartet die restaurierte Karawanserei Tash Rabat auf Besucher, bei Tokmok östlich der Hauptstadt Bishkek steht eines der ältesten Minarette Mittelasiens, auf dem Weg nach Osch und Jalalabad können prähistorische Felsmalereien bestaunt werden.

Die Hauptstadt selbst ist russisch geprägt, mit gewaltigen Palästen, tollen Grünanlagen und vielen coolen Cafés. Nachts bieten Clubs und Discos gute Unterhaltung, darunter der Metro Pub mit oftmals sehr guter, rockiger Live-Musik.

 

Info: Kirgisistan

...oder auch Kirgisien gilt als das demokratischste Land der so genannten Stan-Länder der früheren Sowjetunion. Deutsche können visafrei und völlig unkompliziert einreisen, die Preise im Land sind günstig. Vom Massentourismus ist das Land weit entfernt – Kirgisien lebt vom „Community Based Tourism“. Die kleine Agentur Kyrgyzland Tourist Company (http://kyrgyzland.com) erwies sich auf unserer Reise als sehr verlässlich, zu den großen Agenturen gehören Aksaray Travel, Visit Karakol und Advantour Kyrgyzstan. Bei ihnen gibt es zum Teil auch Mitarbeiter, die neben Russisch und Englisch auch Deutsch sprechen.

In Deutschland bieten unter anderem Lernidee, Chamäleon Reisen, Ikarus Tours, ASI, Diamir und Studiosus Rund- und Aktivreisen an.

Matthias Gürtler
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