Das facettenreiche Leben an der Seidenstraße in Buchara und Chiwa
Usbekistan ist ein Land zwischen Tradition und Moderne. Augenfällig wird der Zwiespalt in der mehr als 2.500 Jahre alten Stadt Buchara, die mit ihrer pittoresken Altstadt und den Kuppelbasaren Tausende Touristen anzieht und dem Idealbild des Morgenlandes sehr nahe kommt.
Liberal gelebter Islam
Wir blicken auf das Portal der Bolo-Chaus-Moschee aus dem 18. Jahrhundert. Vor dem Portal steht ein Geldautomat. Praktisch.
„Der geht seit Monaten nicht mehr“, meckert der Mullah. Mit einem Filzpantoffel verpasst er dem Kasten einen Tritt. Gläubige pilgern in das heilige Innere. Sie sind liberal gekleidet, viele Frauen verzichten auf ein Kopftuch. Manche versuchen vergeblich ihr Glück am Geldautomaten.
Das Bild aus dem Morgenland wird nicht nur durch den defekten Geldspender, sondern auch durch die digitale Tafel mit den Gebetszeiten am Portal getrübt. Usbekistan ist im Wandel. Über das Land wissen wir wenig, kennen Klischees: die legendäre Seidenstraße, die auf dem Landweg von Europa nach China führte und Scheherazade mit ihren Märchen aus Tausendundeiner Nacht.
Dass Klischees wahr werden können, erleben wir in der Altstadt von Chiwa, wo wir uns in einer Filmkulisse wähnen. Hier tummelten sich vor Jahrhunderten eloquente Märchenerzähler und geizige Händler, die Sklaven feilboten.
Heute bummeln Touristen durch die Gassen und staunen über die unbeschreibliche Schönheit der Architektur. Hinter jeder Ecke bieten sich neue Blick auf alte Paläste, Koranschulen und Moscheen voller Majolikafliesen. Das Auge kann sich kaum sattsehen, während der Guide Geschichten von fiesen Emiren und bildschönen Konkubinen zum Besten gibt.
Die Unesco-geschützten Altstädte Usbekistans mit ihren Medressen und den Karawansereien ziehen Massen an. Sie sind weniger Städte als Freilichtmuseen. Am Rand lebt das usbekische Volk: Junge Menschen, die sich eher mit dem Smartphone als dem Koran beschäftigen.
In der Hauptstadt Taschkent ist die Architektur von den Bolschewiki und der Sowjetunion geprägt. Usbekistan war von den 1920er Jahren bis 1991 eine sozialistische Sowjetrepublik.
Der Westen trifft auf den Osten
Im Schatten von brutalistischen Bauten bieten Softeisverkäufer heute ihre süße Ware feil, junge Paare spazieren durch weitläufige Grünanlagen. Doch die westliche Moderne und ihre gesellschaftlichen Freiheiten halten im Land nur langsam Einzug: Am Gehweg parkt etwa ein Auto mit einem kreisrunden Aufkleber auf dem Heck: Das Motiv zeigt einen rot umrandeten Stöckelschuh. Vorsicht Frau am Steuer!
Noch heute sind bis zu 70 Prozent der Ehen in Usbekistan arrangiert. Das stört die Menschen jedoch kaum. Freigiebig erzählen junge Frauen, die auf der Universität Germanistik studieren, aus ihrem Leben, zeigen auf Smartphones stolz den Zukünftigen und erzählen von der geplanten Hochzeit, die in Usbekistan eher einem Volksfest gleicht.
Wir biegen in Buchara um die nächste Ecke und erblicken das Kalon-Minarett, das Wahrzeichen der Stadt. Das Bauwerk der Backsteinromantik soll noch aus vormongolischer Zeit stammen und beeindruckt mit der stattlichen Größe von 45 Metern. Seit dem usbekischen Mittelalter wird hier zum Gebet gerufen, das Minarett war auch Wachturm und diente bis Mitte des 19. Jahrhunderts als Todeswerkzeug. Verurteilte wurden in einen Sack gesteckt, die 105 Stufen nach oben geschleppt und in die Tiefe gestoßen. Der Sack diente der leichteren Entsorgung, wie unser Guide verrät.
Das passiert heute nicht mehr. In der Abenddämmerung versammeln sich stattdessen Dutzende Touristen und Usbeker auf dem Platz des Kalon-Komplexes und zücken ihr Smartphone. Das angestrahlte Minarett muss ja noch auf Instagram gepostet werden.
Usbekistan-Rundreisen
Rundreisen bietet etwa Gebeco an. Beliebt ist die achttägige Erlebnisreise „Usbekistan zum Kennenlernen“. Tiefer in die Materie tauchen Gäste bei der elftägigen Studienreise „Usbekistan – Zauber der Seidenstraße“ von Dr.Tigges ein. Usbekistan erreichen Urlauber mit Usbekistan Airways. In diesem Jahr veranstaltet Gebeco erstmals eine Kombi-Reise, bestehend aus Usbekistan und Kirgisistan.