Transmongol: Lernidee hat die klassische Zugstrecke bis Shanghai erweitert
Lächelnd steht Sharkhun vor seiner Jurte. Regenwasser rinnt ihm über das Gesicht. Es macht dem alten Mann nichts aus, im Gegenteil. „Danke für das gute Wetter“, begrüßt er seine Gäste fröhlich und bittet sie ins runde Filzzelt, das auf Mongolisch „Ger“ heißt. Macht er Scherze? „Nein, er meint das ernst“, versichert Fremdenführer Gerelt. „Mongolen lieben Besuch, der Regen mitbringt. Wasser bedeutet Fruchtbarkeit, gesunde Herden und Glück für die Menschen“, erklärt der junge Einheimische den Besuchern. Es sind die Teilnehmer einer Lernidee-Gruppe – gestern in Ulaanbaatar gelandet, um mit der Transmongolischen Eisenbahn bis nach Schanghai zu reisen.
Alternative zur Zarengold-Route
Als Abzweig der Transsibirischen Eisenbahn entstand seit 1940 die Transmongol, um die russische mit der chinesischen Hauptstadt zu verbinden. Bis heute führt sie von Ulan-Ude in Burjatien (Russland) über Ulaanbaatar (Mongolei) nach Jining in der Inneren Mongolei (China) und quert in den drei Ländern mongolisches Kulturgebiet.
Seit Bestehen von Lernidee gehörten Zugreisen auf dieser Strecke zum Standardprogramm des Veranstalters. Ab 1999 charterte der Berliner Spezialist jeden Sommer bis zu zwölf eigene „Zarengold“-Züge plus Winterzüge für jährlich rund 3.000 Passagiere. Mit der Covid-Pandemie und dem Angriff Russlands auf die Ukraine war das vorbei. 2022 bot Lernidee erstmals allein die Transmongol als Reise an: neun Tage Mongolei mit sieben Jurtennächten, dann in Linienzügen nach Shanghai mit einer Nacht „auf Schiene“, ansonsten in Hotels.
Für Lernidee-Chef Felix Willeke ist das kein Ersatz für eine Transsib-Tour, doch zumindest eine „dankbare Alternative, um das sibirienverwandte Thema weiter zu besetzen“. Das Publikum sei ohnehin ein anderes. „Transmongol-Kunden sind keinem Mythos auf der Spur. Sie lieben Züge und sie lieben es, darin zu reisen, genießen Schlafwagenromantik selbst in den modernen, aber traditionellen Linienzügen von Ulaanbaatar bis Peking wie auch Temporausch und futuristisches Ambiente in Chinas Hochgeschwindigkeitszügen“, weiß der Bahnexperte.
„Statt mit Nostalgie aus Plüsch und Messing reist man so zeitgemäß und sehr authentisch – mit Familien, Wanderarbeitern und Business-Leuten“, so Willeke. Doch bevor der Zug in Richtung China startet – nach Peking in die Kaiserstadt und an die Große Mauer, nach Suzhou mit zauberhaften Gärten wie Kanälen und schließlich in die Megametropole Schanghai – erkundet man die Mongolei per Bus und Bahn.
Von der dicht bebauten Hauptstadt waren alle sehr verblüfft. Über ihren Charme kann man sich streiten. Der sonderbare Mix aus nüchternem Beton, goldenen Göttinnen und den Giganten der mongolischen Geschichte ist dennoch faszinierend. Nach einem Streifzug durch die Stadt mit Stopps am Khanspalast, dem Gandan-Kloster und dem Dschingis-Khan-Museum ging es hinaus in die Natur.
Karge Steppe? Von wegen!
Knapp zwei Stunden dauerte die Busfahrt nach Buuveit, eines der Jurtencamps im Gorchi-Tereldsch-Nationalpark. Die waldigen Hügel, Felsen und Blumenwiesen der lieblichen „Mongolischen Schweiz“ werfen das Klischee vom kargen Steppenland über den Haufen. Zunächst. Denn die meist baumlosen und menschenleeren Wüsten und Gebirge warten schon. Da sind Karakorum, die alte Hauptstadt Dschingis Khans, und der Dinosaurier-Ausgrabungsort Flaming Cliffs, Klöster und Ruinen und die magischen Sand- und Felsenlandschaften von Gobi und Altai – gewürzt mit viel nomadischer Kultur von Ringen, Reitkunst, Bogenschießen bis zu Kulinarik-Abenteuern.
Großvater Sharkun bittet seine Gäste nun „ins Haus“. Im Inneren der Jurte, vollgestopft mit bunten Teppichen und Kissen, hat Batnasan bereits den Tisch gedeckt. Das Öfchen in der Mitte heizt sie mit Viehdung an. Und als der Wasserkessel darauf brodelt, brüht die Oma grünen Tee, gibt Milch und Salz dazu. „Süütei Tsai“ nennt sie den Trank und reicht dazu Boortsog – frittierte Butterkekse – und Trockenquark (Aaruul). „Interessant ...“ Im Camp am Abend ist das anders. Ob Fleisch oder vegan: Am Lagerfeuer schmeckt es allen gut. Der Sternenhimmel ist gigantisch. In den Jurten träumt man von der Transmongol.