Türkei

Leinen los in Lykien

Gesegelt wird nur selten. Dennoch sind Blaue Reisen und die dazugehörigen Ausflüge etwas Besonderes. Fotos: aze

Mit dem Motorsegler auf Kreuzfahrt vor der türkischen Südküste

Wetten, dass man bei einer „Blauen Reise“ – auch ohne Raki und Rotwein – sein blaues Wunder erlebt? Das liegt an den unglaublich intensiven Blautönen der „Türkisküste“, die sich besonders vor der lykischen Halbinsel zwischen dem Golf von Fethiye und dem Golf von Antalya von ihrer schönsten Seite zeigt. Bequem und mit hohem Genussfaktor erschließen Kreuzfahrten mit dem Motorsegler die Küstenlandschaft: Vor steilen Bergflanken, grünen Hügeln und vorgelagerten Eilanden liegen zahllose Buchten mit herrlichen Ankerplätzen, manche sogar mit Blick auf Kulturschätze antiker Stätten.

Nachmittags in der Bucht vor Simena. Längst sind die Ausflugsboote mit den Tagesgästen abgezogen, als Kapitän Halil seinen schnittigen Dreimaster geschickt in den kleinen Hafen einfädelt. Dieses Felsennest gegenüber der Insel Kekova ist nur vom Wasser aus erreichbar – und einer von zahllosen schnuckeligen Ankerplätze vor der zerfransten lykischen Küste.

Wie in den Hügel gemeißelt kleben die wenigen Häuser am Hang, überragt von den Zinnen einer mittelalterlichen Burg. Aus dem seichten Wasser schimmern die antiken Mauerreste einer versunkenen Stadt herauf, irgendwo führen Treppen ins Nichts. Ein halb versunkener Sarkophag spiegelt sich wie selbstverliebt im Meer. Rings um den Ort liegen im hügeligen Gelände zwischen Macchia und Olivenbäumen Dutzende weiterer dieser mächtigen Steinsärge verstreut.

Doch auch wenn man in Lykien ständig mit der Vergänglichkeit des Seins konfrontiert wird – die leiblichen Genüsse kommen garantiert nicht zu kurz. Wie hier auf der Dachterrasse der einfachen „Lokanta“ im Schatten des Kastells: den Sonnenuntergang beim ersten Glas Wein genießen und entspannt der Köstlichkeiten harren, mit denen der Wirt seine Gäste verwöhnt. Dazu gehören Mezeler genannte Vorspeisen in Mengen, dass sich die Tische biegen. Und natürlich Variationen vom Octopus.

Doch auch an Bord der eher rustikalen Schiffe hat das Essen einen hohen Stellenwert – wenngleich Welten von den Buffet-Orgien der Musikdampfer entfernt. Cemil, der Koch, zaubert in seiner Kombüse ehrliche, bodenständige Gerichte. Viel frisches Gemüse und lecker gewürztes Fleisch. Raffiniertere Kreationen der türkischen Küche von Fisch bis Lamm gönnen wir uns in den Restaurants der Küstenorte, einmal auch im Bergnest Islamar, das für seine Forellenzucht bekannt ist.

Echte Segelfans kommen bei diesen Kreuzfahrten allerdings nicht auf ihre Kosten. Die Schiffe sind zu schwerfällig zum Kreuzen und stellen sich unter vollen Segeln nur einmal pro Törn zur Schau. Doch was soll’s. Die Gäste der „Blauen Reisen“ wollen legeres Bordleben, ausgiebig lesen, dösen und schwimmen – am liebsten dort, wo keine oder nur wenige Schiffe ankern und das Wasser glasklar an die Planken gluckst. Und mit tollen Buchten ist dieses Revier reich gesegnet.

Neben Badefreuden bringt eine kräftige Portion Kultur die richtige Würze. Am eindrucksvollsten sind die touristisch weniger erschlossenen, etwas mühsam zu erobernden Ausgrabungsstätten. Pinara zum Beispiel, einst mächtige Stadt des Lykischen Bundes, liegt tief in den Bergen versteckt über der Westflanke des Xanthos-Tals.

Schon von weitem fasziniert die rund 700 Meter hohe Felskuppe der Akropolis, mit Hunderten von Grabkammern wie eine Wabe durchlöchert. Auf dem Hochplateau wachsen Pinien und Ginster zwischen Mauerresten und Bögen der antiken Stadt. Tief unten, an einen Hang geschmiegt, liegt das Halbrund des hervorragend erhaltenen Theaters.

In nicht weniger prächtiger Berglandschaft beeindruckt Arykanda nördlich von Finike. Über Terrassen erstrecken sich die ausgegrabenen Thermen, Odeon, Theater und Stadion dieser „Dephi Lykiens“ genannten Stätte. Wieder an Bord könnte man ja ein wenig im Homer blättern, der in seiner „Ilias“ vom reichen Volk des Lykischen Landes schwärmte.
Monika Zeller
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