Türkei

Bodrum: Anmutig wie Aphrodite

Stolz weht die türkische Fahne über dem Hafen von Bodrum. Foto: cd

Der leuchtend weiße Ferienort gilt als Perle der türkischen Ägäis

Einen Wecker brauchen die Skipper im Hafen nicht. Direkt neben der Marina liegt eine kleine Moschee, und der Ruf des Muezzins holt jeden Matrosen aus dem Schlaf. Zwischen dem Kai und der vorgelagerten Kreuzfahrerburg liegt die See wie ein Tuch aus blau changierender Seide. Eine Zwillingsbucht umfängt das leuchtende Meer. Die Landschaft dahinter steigt sanft an, schneeweiß leuchtet das Häusergewürfel der Stadt.

Bodrum wird häufig mit Ibiza verglichen oder als „türkisches Nizza“ bezeichnet. Doch wir sind nicht an der Côte d’Azur, sondern im Orient, an jenem Ort, der sich in der Antike „Halikarnassos“ nannte. Nach dieser Epoche ist die größte Openair-Disco der türkischen Ägäis benannt, der Club Halikarnas. Nachts weht die Brise die Rhythmen des Dancefloors weit in die Bucht und die Bugnasen der Yachten scheinen den Takt dazu zu nicken.

Das heute mondäne Bodrum war ein unbedeutendes Fischerdorf, als der Schriftsteller und Journalist Cevat Sakir wegen „Verbreitung pazifistischer Parolen“ im Jahr 1925 hierher verbannt wurde. Doch statt die Strafe zu beklagen, machte sich der Schreiber daran, die Umgebung zu erkunden. Dessen Gestade erstrahlten für ihn „mit einer unerhörten Intensität voller Sehnsucht, Schönheit und Schrecken“.

Bodrum selbst schien ihm an Reizen der Aphrodite gleich, wenn es „in früher Morgenstunde schneeweiß aus Meer geboren wird“. Als man beim Militärtribunal erfuhr, dass der Verbannte sein „glückliches Exil“ alles andere denn als Strafe empfindet, internierte man ihn fortan im Landesinneren. Doch nach der Haft kehrte er zurück, gab sich das Pseudonym „Fischer von Halikarnassos“ und wurde in den Fünfzigern des 20. Jahrhunderts zum Mittelpunkt eines Intellektuellenkreises, der sich an der Schönheit der türkischen Ägäis ergötzte, als noch kein Mensch hier Urlaub machte.

Das ist heute anders. Gut 30.000 Einwohner hat die Stadt im Winter, im Sommer sind es bis zu 250.000. Nicht nur ausländische Touristen sind hier versammelt. Wenn ein Istanbuler es zu etwas gebracht hat, kauft er ein Sommerhaus in Bodrum, denn noch immer ist die Stadt etwas Besonderes. Sie hat nicht einmal einen eigenen Sandstrand, trotzdem haftet ihr das Flair des Exklusiven an. Nirgendwo an der türkischen Küste sieht man so viele schöne Menschen flanieren, nirgendwo ist das Nachtleben so heiß. Alles ist eine Spur gepflegter, schicker und deutlich teurer als anderswo.

Aber dafür ist Bodrum auch nie banal. Wer will, kann sich hier seine Ledersandalen beim gleichen Schuster anfertigen lassen, der auch schon Mick Jagger belieferte. Und wer dem Trubel auf hohem Niveau entfliehen will, macht einen Ausflug mit dem Boot ins nur eine halbe Stunde entfernte Kos.
Claudia Diemar