Griechenland

Santorin: Trank aus dem Vulkan

Blick auf das Dorf Oia von der Ruine des Kastells von Argyri

Die stillen Seiten der postkartenschönen Insel

Die Weingüter auf Santorin (hier im Weingut Sigalas) servieren Weißweine aus den Rebsorten Assyrtiko, Athiri und Aidani. Fotos: hb

Am Abend, wenn einen die Fassaden mit ihrem strahlenden Weiß nicht mehr blenden, sondern in warmem Gelbgold schimmern, versinkt der rote Feuerball in der Ägäis. Höhenmeter um Höhenmeter frisst sich dann der Applaus nach oben, als sei er ein von der Brise angefachtes Buschfeuer. Erst klatschen die Passagiere des Segelschiffs im Hafen. Dann die Pärchen auf der Mauer des Kastells von Argyri. Dann sind die Cocktailtrinker auf den Terrassen der Restaurants an der Reihe, zum Schluss die Fastzuspätgekommenen unter den zwei Windmühlen.

Sonnenuntergang auf Santorin: In Oia, dem schönsten Dorf der Insel, ist das kein stilles Ereignis für Romantiker, sondern ein Spektakel für die Massen. Als weiße Schwalbennester kleben hier die Häuschen am Rand der vom Meer gefluteten Vulkancaldera. Die Kirchen mit den blauen Kuppeln und kleinen Glockentürmen thronen über dem Wasser und verzaubern die Besucher jeden Tag aufs Neue. Aber es gibt auch die andere Seite von Santorin: den wilden Part, mit viel weniger Andrang.

Immer am Kraterrand entlang

Wer früh ins Ausflugsboot hüpft, kann zum Inselchen Nea Kameni übersetzen, wo es nach Schwefel stinkt und man das ganze Jahr über baden kann. Heiße Quellen heizen das Wasser auf angenehme 35 Grad auf. Santorin ist auch eine Insel zum Wandern – am besten zeitig am Morgen, wenn fast alle anderen Touristen noch am Frühstückstisch sitzen.

Knapp vier Stunden sind es von Fira nach Oia, immer am Kraterrand entlang mit Blick auf die 200 Meter tiefer glitzernde Ägäis. Zurück an den Ausgangspunkt kommt man mit dem Bus und kann dann das Archäologische Museum besuchen, wo Funde aus Akrotiri ausgestellt werden. Fast 3.700 Jahre alte, knallbunte Wandmalereien zeigen eine Safranpflückerin, Boxer, Fischer mit reichem Fang – und eine ganze Horde Affen.

Die ältesten Reben der Welt

Akrotiri selbst lohnt ebenfalls einen Besuch: Es ist ein Ort im ländlichen Süden von Santorin. Um das Jahr 1600 vor Christus zerstörte der Ausbruch eines Vulkans alles Leben auf der Insel. Was damals verschüttet wurde, kommt nun wieder ans Tageslicht – es ist ein griechisches Pompeji, aber weit weniger überlaufen. Auf das Kulturprogramm folgt die Entspannung: Um die Ecke liegt ein Strand mit schwarzen Kieselsteinen. In den Höhlen der feuerroten Steilküste, in denen früher ‧Hippies wohnten, haben sich nun Cafés eingenistet.

Experten rühmen Santorins trockenen Weißwein Assyrtiko als ein Produkt von Weltklasse, auch den aus überreifen Trauben gekelterten Süßwein Vinsanto. Die Reben gedeihen am Boden: „Wir flechten sie von Hand in eine runde Form: Nach vielen Jahrzehnten sieht das dann aus wie ein Korb“, ‧erzählt Landwirt Vangelis Alefragis. „Die Trauben wachsen dann nach innen und sind so vor der Sonne und dem Wind geschützt.“ Weil Santorin einst von der Reblausplage verschont blieb, wachsen hier viele Hundert Jahre alte Weinstöcke – es sind die ältesten der Welt.

Mit anderen Spezialitäten – Kapern, weißen Auberginen, Cherrytomaten und Fava-Erbsen – kommt der Wein auf den Tisch. Köche wie der gefeierte Panos Tsikas vom Restaurant Selene servieren traditionelle Gerichte mit modernem Twist. Bei einem Dutzend Weinproduzenten kann man für Verkostungen vorbeischauen. Und auch, wenn sie Schlagersänger Udo Jürgens hier nicht kennen: Was den Assyrtiko aus Santorin angeht, ist griechischer Wein wirklich ein echter Hit.

Helge Bendl