Spanien

Alicante: Rauschendes Spektakel

Fantasievoll gekleidete Besucher beim Volksfest "Moros y Cristianos"

Das Fest der Mauren und Christen im April in Alcoy

Einlage eines Reiters beim Umzug. Fotos: ad

„Das ganze Jahr über bin ich gläubiger Christ, aber drei Tage im Jahr auch ein Maure“, sagt Emilio Serra und hüllt sich in orientalische Tracht. Er ist in den rüstigen Achtzigern und zählt zu den Veteranen des Volksfestes „Mauren und Christen“, Moros y Cristianos, im südostspanischen Alcoy. Die Wurzeln fußen auf Glaube, Historie, Legende. Es ist eine der größten, buntesten und lautesten Fiestas im Land, das nächste Mal vom 25. bis 27. April.

Um das Fest zu verstehen, muss man die Uhr ins Mittelalter zurückdrehen. Damals tobten vielerorts in Spanien die Kämpfe zwischen Christen und Mauren. So auch im Jahre 1276 in Alcoy in der Provinz Alicante. Dort behielten die Christentruppen die Oberhand über die Muselmanen. Der heilige Georg erschien plötzlich hoch zu Ross und verhalf den Christen zum Sieg. So will es die Überlieferung.

Doch beim heutigen Fest geht es nicht um eine Story von Sieg und Niederlage, die Nacherzählung eines blutigen Schlachtenerfolgs. Zudem kommen echte Mauren nicht vor, nur verkleidete. „Das Fest ist für uns eine Passion“, erklärt Jordi Linares, einer der vielen Teilnehmer, „es ist wie ein Theaterstück, wie eine Performance.“

Eine Prozession für den heiligen Georg
Gewinner sind Zuschauer. Denn sie erleben einen dreitägigen Mix aus Straßenshow und Dauerspektakel. Das Rückgrat bilden 28 Festgemeinschaften, „Filaes“, die jeweils hälftig auf Mauren und Christen entfallen. „Meine Eltern haben mich noch vor dem Eintrag ins Geburtenregister in meiner Vereinigung angemeldet“, erinnert sich Linares. Ihre großen Auftritte haben die Festvereine zur Eröffnung am „Tag der Einmärsche“. Tag zwei ist religiös bestimmt, samt einer Prozession für Sankt Georg. Am Schlusstag folgt eine simulierte Schlacht mit übermäßig Büchsenlärm und Pulverdampf.

Epizentrum der festlichen Beben ist die Altstadt um den Rathausvorplatz, die Plaza Espana. Dort steht ein eigens errichtetes Kastell, über dessen Mauern am Abschlusstag der heilige Georg aus der Dunkelheit auftaucht, dargestellt von einem Kind.

Zehntausend sind auf den Beinen
Höhepunkt für Besucher ist der „Tag der Einmärsche“. Am ersten Tag sind 11.000 Teilnehmer auf den Beinen. Der vormittags startende Umzug der Christen dauert drei, jener der Mauren ab dem Spätnachmittag über vier Stunden.

Klar, dass man das als Zaungast nicht im Stehen durchhalten kann. Deshalb lassen sich über die Festvereinigung Sant Jordi seit Anfang Februar nummerierte Klappstühle und Tribünenplätze per E-Mail an info(at)associaciosantjordi.org reservieren; rund 20.000 Sitze gibt es entlang der Strecke.

Nah dran am Geschehen durchlebt man einen Rausch der Kostüme, spürt die Klangwelten der Blaskapellen auf sich einstürzen. Nimmt Reitern die Parade ab, Dromedaren, orientalischem Fußvolk unter Umhängen, in Pluderhosen und Schnabelschuhen, mit Krummsäbeln und Holzspeeren. Historische Authentizität spielt keine Rolle.

Wie man den Festmarathon als Teilnehmer durchhält, weiß Linares ganz genau: „Mit viel Plis Play.“ Der Ausdruck steht in keinem Wörterbuch: Es ist ein lokaler Teufelsmix aus Cola und Kaffeelikör.

Andreas Drouve
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