Deutschland

Heilbronn: Noch ein Geheimtipp

Blick durch die Weinberge auf die zukünftige Buga-Stadt Heilbronn

Blick durch die Weinberge auf die zukünftige Buga-Stadt Heilbronn

Die Stadt im Südwesten will auf die touristische Landkarte

Läuft seit 430 Jahren falsch: die historische Rathausuhr

Läuft seit 430 Jahren falsch: die historische Rathausuhr. Fotos: fh

Mit der Frage wo genau denn nun Heilbronn liegt, könnte man deutschlandweit ziemlich viele Menschen in Verlegenheit bringen: Im Süden vielleicht? Irgendwo bei Heidelberg? In der Tat hat die kleine Stadt zwischen Stuttgart und Würzburg ein Image-Problem: Der Tourismus spielt, bei allen Attraktionen und landschaftlichen Reizen, bisher keine herausragende Rolle. Ein bisschen Wein-Tourismus – immerhin ist das Heilbronner Land Deutschlands größtes Rotweinanbaugebiet –, ein paar historisch Interessierte, Wanderer, das war’s.

Total Makeover für eine Stadt
Aber das soll, nein, wird sich in den nächsten Jahren ändern, zumindest wenn es nach der Stadtregierung geht, denn von April bis Oktober 2019 findet die beliebte Bundesgartenschau (Buga) in Heilbronn statt. Derzeit wird an allen Ecken und Enden gebaut, gefühlt die halbe Stadt liegt hinter Bauabsperrungen verborgen oder aufgerissen da – bisher wurden dabei übrigens nicht nur 13 Tonnen Kampfmittel aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden, sondern auch herrlich Skurriles wie ein Tresor und ein 35 Meter langer Schiffsbug samt Anker.

Soweit, so bekannt, schließlich ergeht es allen Buga-Städten im Vorfeld so. Das Besondere des Konzepts: Neben den üblichen Parkanlagen auf insgesamt 40 Hektar Fläche soll eine „Stadtausstellung“ ein Teil der Gartenschau sein, drei Hektar Wohnanlagen, mit Lage Wasser.

Und das mitten in der Innenstadt, die langfristig mehr als 3.500 Menschen beherbergen sollen. Außergewöhnliche neue Konzepte verspricht die Stadt: Begrünte Fassaden zum Beispiel, eine intelligente Digitalisierung der Wohnungen, altersgerechte Arrangements und vor allem Nachhaltigkeit. Leisten kann es sich die Stadt allemal: Sie glänzt mit niedriger Pro-Kopf-Verschuldung – und die Heilbronner verfügen über das höchste Pro-Kopf-Netto-Einkommen Deutschlands.

Der Zeit sprichwörtlich voraus
Auch jenseits der Bundesgartenschau gibt es allerhand Geheimtipps – vielleicht gerade weil Heilbronn so selten im Fokus der Öffentlichkeit liegt? So ist der Turm der innenstädtischen Kilianskirche einen Blick nach oben wert: Kurz vor der Reformation gebaut, wurde er mit „Drolerien“ versehen, die allesamt die Kirche blasphemisch durch den Kakao ziehen und heute wohl an der Political Correctness scheitern würden.

Oder die Käthchen-Statue, das Wahrzeichen der Stadt, die den Heilbronnern so verhasst ist, dass sie mehrfach Opfer von Attentaten wurde. Ganz im positiven Sinne setzte die Stadt in den 1980ern Impulse: Nach den Pershing-II-Unfällen auf der von US-Truppen genutzten Waldheide in Heilbronn wurden die Proteste des Gemeinderats zum Startschuss für die Friedensbewegung.

Dass die Stadt eine Reise wert ist, darf man den Heilbronnern also glauben, aber nicht ihrer astronomischen Rathausuhr. Sie läuft seit 430 Jahren – und zwar falsch. Kurz nachdem sie gebaut wurde, ließ Papst Gregor XIII. eine Kalenderreform durchführen. Zehn Tage fielen plötzlich weg – und die Uhr war ihrer Zeit stets weit voraus. Bei diversen neuzeitlichen Restaurationen hätte man dies korrigieren können, doch die Stadt entschied sich dagegen – aus historischen Gründen.
Francoise Hauser
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