Schweden

Mein Haus, mein Boot, meine Insel

Die Insel Hamnö wird nur als Ganzes vermietet. Foto: hs

Schwedische Ostküste: Robinson-Urlaub in den Schären

Der Mann ist ein Störenfried. Seinen Namen weiß keiner. Er sagt nichts, will nichts, er fährt einfach am Morgen des vierten Tages in gut 300 Meter Entfernung an der Insel vorbei. Er navigiert sonst wo hin, interessiert sich nicht für die Menschen am Frühstückstisch auf der Veranda, Knäckebrot und Räucherlachs, das Haus, den mitgereisten Hund. Aber er bringt längst vergessenen Krach mit, etwa zwei, drei Minuten lang. Dann ist er mit seinem Boot wieder außer Hörweite. Der Außenborder des Unbekannten ist das erste Geräusch aus der Gegenwart seit einer halben Woche, das auf der Robinson-Insel Hamnö in den Schären weit draußen vor Loftahammar ankommt. Ansonsten existiert sie weit außerhalb der Zeiten, inmitten größter Ruhe, fernab aller Hektik.

Rund 1.000 Inseln gibt es hier gut 200 Kilometer südlich von Stockholm, etwa 150 Kilometer nördlich der Küstenstadt Kalmar - manche einen Steinwurf voneinander entfernt, andere durch ein paar Hundert Meter Wasser getrennt. Zwischen ihnen schwappt die Ostsee, pustet der Seewind. Auf manchen dieser Eilande breiten sich nichts als Flechten und Moose aus, wuchert Heidekraut zwischen den Felsen. Auf anderen recken sich ein paar Tannen und Birken in den Himmel, und ab und zu zerrt der Seewind an Wipfeln und Stämmen.

Auf wieder anderen stehen ein paar blutrot getünchte Holzhäuschen. Die wenigsten sind dauerhaft bewohnt, fast alle werden nur als Sommerhäuschen genutzt - und manche vermietet: Hamnö ist so ein Fall, eine Robinsoninsel von 40.000 Quadratmetern, die - das macht sie so besonders - nur komplett vergeben wird. Mit dem Bullerbü-Wohn- und einem Bootshaus. Und mit ein paar kleineren Nebengebäuden dicht beieinander neben dem Fahnenmast auf dem höchsten Punkt des Eilandes. Ohne fließend Wasser, mit Gasherd, gasbetriebenen Kühlschrank, mit Kamin im Wohnzimmer, dem Plumpsklo achtzig Meter hinterm und mit Pumpe vorm Haus. Strom gibt es nicht, außer die Sonne hilft aus und speist einen schwächlichen Akku im Hof.

Dafür, dass Teilzeit-Robinsons mitsamt Reisegepäck und sämtlichen Vorräten für ihren Urlaub auf die Insel gelangen, sorgt Freitag. Er heißt in Wirklichkeit Mike, wohnt auf dem Festland und ist gleichwohl die gute Seele von Hamnö. Wer Rat oder Tat braucht, ruft ihn über Handy an - so lange der Akku noch Saft hat. Freitag-Mike hat ein flottes Boot, besorgt den Transfer von Loftahammar aus in 45 Minuten oder von Flatvarp in nur einer Viertelstunde. Auf dem Gartengrill oder am Gasherd zaubert Familie Robinson aus mitgebrachten Zutaten derweil immer neue Köstlichkeiten. Räucherlachs vom Fischer vier Inseln weiter südlich gibt es mit Honig-Marinade, zum Brathering gibt es Salat mit selbst gepflückten Beeren, zum Steak über offenem Feuer gebratene Kartoffeln. Fast alles ist Altbekanntes, aber es schmeckt besser, wenn es mit einfachsten Mitteln zubereitet ist.

Vermietet wird Hamnö erst seit gut einem Jahr. Seit die Besitzerin nach Göteborg gezogen ist und die Familie nur noch ab und zu selber die Ferien hier verbringt, bietet sich das an - auch deshalb, weil immer mehr Skandinavien-Urlauber solche kuriosen Quartiere suchen und sich nicht daran stören, dass noch kein Designer das Haus überplant hat, Besteck und Geschirr zusammengewürfelt sind und Sofa-Decken vor ein paar Jahrzehnten der letzte Schrei gewesen sein dürften.

Und waren die Felsen rund ums Haus anfangs nur etwas zum Darüberhinwegklettern, werden sie bald im Wechsel zu Tisch und Stuhl, irgendwann zu Gartenliegen - und mit jedem neuen Tag scheinbar weicher. Polster und Liegestühle braucht niemand mehr. Die Natur selber wird zum Zuhause. "Die Leute haben anfangs oft Sorge davor, sich ohne Arbeit, ohne Fernseher, ohne Musik zu langweilen", sagt Freitag-Mike: "Es sind dieselben Leute, die am Ende des Aufenthaltes vom Adler erzählen, der auf der Nachbarinsel zu hause ist und jeden Nachmittag seine Flug-Show am Himmel über Hamnö beginnt. Und davon, dass es manchmal so klingt als würde der Wind ganze Sätze formen und Geschichten vortragen wollen. Sie erzählen davon, wie sie plötzlich selber gesungen haben und dass sie nächstes Jahr mit Gitarre wiederkommen wollen. Und mit Freunden.

Buchungsinfos
Hamnö liegt im Schärengarten von Västervik südlich von Stockholm. Der nächste Ort ist Loftahammar (45 Bootsminuten), die Siedlung Flatvarp ist 15 Bootsminuten entfernt. Eine Woche kostet ab 1.450 Euro, Infos beim Ferienhausvermittler Sweeds telefonisch unter 00 46 / 7 05 72 02 22 und www.sweeds.se.

Helge Sobik