Großbritannien

Wales: Schießscharten und Stuckdecken

Conwy Castle ist eine der Hauptfestungen des Burgenrings, den Edward I. im 13. Jahrhundert anlegen ließ.

Conwy Castle ist eine der Hauptfestungen des Burgenrings, den Edward I. im 13. Jahrhundert anlegen ließ. Foto: Britain on View

Burgen im Norden erzählen Geschichten aus Jahrhunderten

Steinerne Monumente der Macht an strategisch markanten Stellen: Mittelalterliche Festungen gehören zum Erscheinungsbild von Wales. Im Land der zwölf Millionen Schafe und drei Millionen Einwohner stehen mehr Burgen pro Quadratkilometer als anderswo.

Als im Jahr 1282 Wales endgültig unter englischen Einfluss geriet, entstanden unter Edward I. rund 17 Burgen, die zu den bedeutendsten Befestigungsanlagen des europäischen Mittelalters gehören. Dabei handelt es sich zumeist um „Bastiden-Städte“, die Burg und Stadt als befestigte Einheit miteinander verbinden.

Baugeschichtlich besonders interessant ist Conwy Castle an der Nordküste. Sehr gut erkennbar ist hier das Baukonzept von Burg und Stadt. Auf der einen Kilometer langen Stadtmauer mit 21 Türmen und drei Stadttoren genießt der Besucher die Sicht auf Häuser, Sträßchen und Hinterhöfe der Kleinstadt, die sich etwas von der mittelalterlichen Atmosphäre bewahrt hat. In der Weite schweift der Blick über den Hafen und die Küste, die Hügellandschaft und die Berge von Snowdonia. Conwy Castle ist eine der Hauptfestungen des „Eisernen Rings von Burgen“, die dazu dienten, die Waliser zu unterdrücken und die neu angesiedelten Engländer zu schützen.

Als Inbegriff der majestätischen Burg gilt Caernarfon Castle. Die Stadt Caernarfon liegt an der schmalen Menai Strait, die die Insel Anglesey vom Festland trennt. Architektonisch eindrucksvoll und politisch wichtig sollte diese Burg sein – denn Caernarfon sollte Regierungssitz des englischen Königs in Nordwales werden. Tatsächlich wurde auch 1301 Edwards Sohn, der spätere König Edward II., in Caernarfon zum ersten „Prince of Wales“ ernannt. Doch erfüllte die Burg die ihr zugedachte Rolle nie: Sie war nur Waffendepot. Erst im 20. Jahrhundert, durch die Investitur von Prince Charles 1969, rückte Caernarfon wieder in den Blickpunkt des Interesses. Dieses Ereignis hält eine Ausstellung in einem Seitenflügel der Burg fest.

Nicht so bedeutend, doch spannend als Zeitzeugnis ist Powis Castle südlich von Welshpool, eine Burg aus dem 13. Jahrhundert. Während der Renaissance zum Palast erweitert, empfangen den Besucher dunkle Holztäfelungen, schwere Stuckdecken und Porträts blasser Damen. Als exotische Besonderheit überrascht hier ein Museum: Robert Clive hatte als Gouverneur von Madras eine mehr als 300 Exponate zählende Kollektion indischer und ostasiatischer Kunst und Waffen gesammelt, die sein Sohn in das Schloss brachte.

Im strengen Sinn keine Burg und dieser doch ähnlich ist Castell Deudraeth. Das viktorianische Herrenhaus bei Portmeirion erfuhr vor einiger Zeit eine Wandlung: Aus dem verfallenen Gebäude wurde ein gestyltes Hotel, und auch der viktorianische Park ließ die verwilderten Zeiten hinter sich. Gar nicht plüschig, sondern sachlich-elegant sind die Zimmer und Suiten. Schieferbodenbelag, Eichentäfelung und Wollvorhänge greifen die walisische Natur auf. Und durch die Pfeilschlitze des Turms sieht man auf die zwei Mündungsarme, die Castell Deudraeth seinen Namen gaben.

Jenny Kreyssig
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