Österreich

Wien: Schmuggler und Schlawiner

Für die Dame am Austria-Brunnen soll Goethes Enkelin Modell gestanden haben.

Für die Dame am Austria-Brunnen soll Goethes Enkelin Modell gestanden haben. Foto: aze

Auf Spaziergängen gibt die Altstadt so manches Geheimnis preis

Wiens fußstarke Stadtführertruppe lässt sich immer wieder neue Varianten für amüsante und interessante Spaziergänge einfallen und findet gerade im alten Teil der österreichischen Hauptstadt reichlich Stoff für Geschichten und Geschichtchen.

„Beethoven und Goethe, ein bisschen Spionage und Schmuggel“ gefällig? Treffpunkt ist an der Freyung, wo sich bereits einige Interessenten um den Stadtführer scharen. Freyung komme von frei, erfahren sie sogleich, denn Tagediebe, Einbrecher und allerlei Gesindel hatten im Kloster das Recht auf Asylgewährung – sofern nicht Blut an ihren Händen klebte. Eine amüsante Schmugglergeschichte rankt sich um den Austria-Brunnen, dessen Bronzefiguren in einer Münchner Erzgießerei gefertigt und 1846 auf der Freyung enthüllt wurden. Ein ganz besonders heller Schlawiner soll die Figur der Austria in München mit besten Zigarren gefüllt haben, um sie am Zoll vorbei nach Wien zu mogeln. Pech, dass die Figur blitzschnell aufgestellt wurde und der gute Mann keine Chance bekam, das wertvolle Innenleben der Dame zu bergen. Vielleicht zerbröselt ja noch heute der teure Tabak in der Brunnenfigur, für deren hübsches Gesicht übrigens die Enkelin von Geheimrat Goethe Modell gestanden haben soll.

Goethes Schwiegertochter wohnte im Haus Nummer 10 an der Mölker Bastei und gleich nebenan im Pasqualatihaus weilte zwischen 1804 und 1815 mehrfach Ludwig van Beethoven. Der damals noch freie Blick bis hinüber zum Kahlenberg hat den Meister wohl kräftig zum Komponieren inspiriert: Hier entstanden die Oper Fidelio, drei Symphonien, die Leonoren-Ouvertüre und das Klavierkonzert Nr. 4.

Ein Stück von Wiens Innenleben offenbart auch die „Stadt in der Stadt“ mit überraschenden Hofdurchgängen und geheimnisvoll wirkenden Abkürzungen quer durch die Gassenlabyrinthe, von denen viele mit so genannten „Durchhäusern“ überbaut sind. Hinter alten Kutschentoren öffnen sich bezaubernde Innenhöfe mit den typischen Pawlatschen, den offenen Holzumgängen. Alte, über Jahrhunderte von eisenbeschlagenen Wagenrädern abgewetzte Ecksteine schützen die Mauern der engen Einfahrten – daher der Spruch „die Kurve kratzen“.

Höfe, die prächtig oder schlicht und immer wieder anders sind: weinlaub?umsponnene Renaissance-Arkaden in der Bäckergasse, winzige Höfchen im alten Blutgassenviertel, reizend herausgeputzt „Die vermischte Warenhandlung“ für alles Schöne. Überhaupt haben sich in vielen der Höfe, Keller und Durchgänge kleine Galerien, Ateliers und Boutiquen eingenistet.

Stadtspaziergänge machen neugierig auf weitere Geheimnisse: Etwa wie es in den „Fress-, Sauf- und Luderhäusern“ zuging oder wie das so war mit dieser „sonderbaren Sisi“, jenem Herrn Sigmund Freud oder dem „Dritten Mann“. Man kann sich bei „den schönsten Mumien“ gruseln oder auf dem Zentralfriedhof alles über „Wien und den Tod“ erfahren. Genießer sind besser bei musikalischen Rundgängen oder einem Zug durch die Wiener Kaffeehäuser und Beisln aufgehoben. Rund 50 verschiedene Themenführungen stehen zur Auswahl. Informationen gibt es unter www.wien.info.

Monika Zeller