Schweiz

Schweiz: Großen Alpinisten ganz nah

Vor 150 Jahren wurde zum ersten Mal der 3.970 Meter hohe Eiger bezwungen.

Vor 150 Jahren wurde zum ersten Mal der 3.970 Meter hohe Eiger bezwungen. Foto: gsg

Berner Oberland: Für Kletterer und Wanderer ein lohnendes Ziel

Asti fühlt sich heute so gar nicht wohl. Die Bernhardinerhündin muss – wie an jedem Tag in der Saison – als Fotomodell herhalten. Mit einem Fässchen, das ein Schweizer Kreuz schmückt, sitzt die fünfjährige Hundedame auf der Kleinen Scheidegg inmitten einer vielköpfigen Schar japanischer Touristen: Asti lässt sich geduldig ablichten. Die großformatigen Gruppenbilder zum Preis von 25 Schweizer Franken finden als Souvenir immer wieder aufs Neue reißenden Absatz. „Grüezi aus der Schweiz“ – genauer gesagt aus dem Berner Oberland.

Hier zu Füßen des repräsentativen Dreigestirns Eiger, Mönch und Jungfrau sind in diesem Jahr Jubiläumsfeierlichkeiten angesagt. Zum 150. Mal jährt sich der Tag, an dem erstmals der 3.970 Meter hohe Eiger bezwungen wurde. Am 11. August 1858 schauten die Grindelwalder Bergführer Christian Almer und Peter Bohren in Begleitung des Engländers Charles Barrington vom Nordwand-Gipfel aus auf die imposante Bergwelt, die seitdem Wanderer und Kletterer magisch anzieht.

Urlauber lieben es gemütlicher. Sie besteigen die Luftseilbahn und lassen sich in Panorama-Kabinen auf das Schilthorn chauffieren. Die Fahrt führt vorbei an tosenden Wasserfällen und schroffen Felswänden des Lauterbrunnentals. Oben angekommen, eröffnet sich den Bergfahrern ein imposanter Rund-um-Blick nicht nur auf Eiger, Mönch und Jungfrau. Bei klarem Wetter reicht die Sicht vom Drehrestaurant Piz Gloria sogar bis zum Mont-Blanc und Schwarzwald. Selbst James Bond genoss von hier aus die winterliche Idylle der majestätischen Bergwelt rund um Gimmelwald, Mürren und Birg. Das Schilthorn war 1968 Originalschauplatz der Dreharbeiten des Agenten-Thrillers „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“.

Weniger wagemutig als die Filmhelden von einst, dafür bergtauglich, wartet auf Kletterer seit diesem Jahr eine neue Herausforderung. Ausgerüstet mit festem Schuhwerk, Helm, Gurt, Seil und Karabinerhaken führt eine rund dreistündige Bergwanderung von Mürren nach Gimmelwald. Der Klettersteig nennt sich „Via Ferrata“ (italienisch soviel wie „Straße aus Eisen“). Rund 300 Höhenmeter und etwas mehr als zwei Steig-Kilometer sind zu meistern. Die Tour ist nichts für Höhenschwindlige. Der Einstieg ins ultimative Klettervergnügen beginnt in Mürren auf der Aussichtsterrasse nahe dem Sportchalet. Eingehakt am Drahtseil geht es entlang einer Felswand, dann steil abwärts. „Sicherung ist oberstes Gebot“, weiß Bergführer Andreas Schild. Das System ist einfach: Karabinerhaken einhängen, ein paar Meter klettern und wieder einhängen. Etwas Angst und eine gesunde Portion Respekt gehöre ins Gepäck, ermutigt Bergführer Schild seine Begleiter. Sonst fehle das Gefühl des Überwindens.

Die ist dann auch bei der Querung der Nepalbrücke dringend notwendig. Das Highlight des Klettersteigs lässt selbst Waghalsige zögern, ehe sie über den wackeligen Gitterrost in Richtung Gimmelwald balancieren. Ist die Tour geschafft, fühlt sich der Hobby-Steiger den Berufs-Alpinisten ganz nah. Und nebenbei steigt mit der Freude über den eigenen Erfolg auch die Bewunderung für die Leistungen der Gipfelstürmer von einst.

Günter von Saint-George