Finnland

Am südlichsten Punkt Finnlands

Früher ein Kurort, heute ein Umschlagplatz für Autos: das Seebad Hanko im Süden Finnlands.

Früher ein Kurort, heute ein Umschlagplatz für Autos: das Seebad Hanko im Süden Finnlands. Foto: FVA Finnland

Hanko – eine Hafenstadt zwischen Tourismus und Handel  

In den USA liegt der „southernmost point“ bekanntlich in Key West an der Südspitze Floridas. Aber was ist mit dem südlichsten Punkt Finnlands? Passagiere der Superfast-Fähren aus Rostock passierten ihn jahrelang beim Einlaufen in den Hafen von Hanko, bis die Route nach Helsinki verlegt wurde.

Auf Befehl des Zaren Alexander II. wurden Hanko 1874 die Stadtrechte verliehen (Finnland war über hundert Jahre russisches Großfürstentum), und noch heute macht sich der Einfluss des großen Nachbarn bemerkbar: Repräsentative Holzvillen aus der Kolonialzeit, verziert mit verschnörkelten Erkern, schmiegen sich an weitläufige, mit Kiefern bewachsene Felshänge, die zu feinsandigen Buchten am Finnischen Meerbusen abfallen.

Im krassen Gegensatz dazu: Riesige Stellflächen, wo abertausende Personenwagen auf den Weitertransport über Land zur russischen Grenze warten – Hanko gilt als wichtiger Umschlagplatz für Container und Importautos. Die aktuelle wirtschaftliche Lage beschert den Stadtvätern derzeit satte Einnahmen durch die hohen Standmieten, denn Neuwagen lassen sich auch in Russland nur schwer verkaufen.

„Leider kann ich pro Jahr nur ganze 180 Touristen zum südlichsten Punkt unseres Landes bringen“, bedauert Marika Pulliainen vom lokalen Fremdenverkehrsbüro. Ein Lotsenturm markiert diese Sehenswürdigkeit, die sich jedoch im Freihafengebiet befindet und somit den Zollbehörden untersteht. Und die seien mit der Besuchserlaubnis äußerst knauserig. Doch davon lässt sich die junge und optimistische Marika in ihrer Begeisterung für das Seebad Hanko mit rund 10.000 Einwohnern, seinen dreißig Kilometer langen Stränden und 130 Kilometer Küstenlinie nicht irritieren.

Tatsächlich wird man beim Gang durch die winzige Altstadt am Hafen an das beschauliche Travemünde aus Thomas Manns Familiensaga „Buddenbrooks“ erinnert, nur dass hier der Meeresblick zusätzlich auf einsame Schären fällt wie auf die ehemals schwedische Festungsinsel Gustafsvärn, wo inzwischen große Seemöwen das alleinige Sagen haben. In dieser maritimen Sphäre fühlen sich Fremde ausgesprochen wohl, etwa im urigen Restaurant Makasiini vis-à-vis vom Anleger in einem alten Holzhaus, das innen mit kanadischer Kiefer ausgekleidet ist (weil es der Besitzer so mag) und wo eine Küche mit deliziösen Gerichten aufwartet, die man in diesem abgelegenen Winkel Finnlands kaum erwartet.

Ein Aufenthalt in Hanko verspricht in erster Linie Ruhe und Abgeschiedenheit inmitten einer naturbelassenen Küstenlandschaft. Ende des 19. Jahrhunderts waren es die Russen, die aus Hanko einen Kurort machten – keinen langweiligen, sondern einen lebensfrohen, der prominente und weniger bekannte Zeitgenossen anzog: den letzten Zaren Nikolaus II., den Maler Ilja Repin, die Komponisten N. A. Rimskij-Korsakow und Jean Sibelius. Sie alle verbrachten hier unbeschwerte Tage nach dem Motto „savoir vivre“. Auch wenn es heute in der Stadt (Sitz des bedeutenden Stahlproduzenten Ovako, der in deutscher Hand ist) weit nüchterner zugeht, so kann man hier immer noch herrlich gammeln und träumen, besonders dann, wenn die Sommersonne der ganzen Gegend ein zauberhaftes Licht verleiht.
Andreas Jacobsen
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