Finnland

Es muss nicht immer Helsinki sein

Viele Künstler und Literaten machten Porvoo zu ihrer Wahlheimat. Belle-Époque-Charme in Turku

Viele Künstler und Literaten machten Porvoo zu ihrer Wahlheimat. Belle-Époque-Charme in Turku. Fotos: cd, stock.xchng

Im Süden Finnlands locken beschauliche Städte mit viel Kultur  

Nicht einmal eine Stunde dauert die Fahrt von Helsinki nach Porvoo. Bequem geht es auf der Autobahn nach Osten. Der Ausflug lohnt sich. Am Porvoonjoki-Ufer spiegeln sich die ochsenblutroten Speichergebäude der alten Handelsstadt im stahlblauen Fluss. Stattliche Steinhäuser künden von der Bedeutung Porvoos, als Zar Alexander hier eine Art Parlament einrichtet, der Stadt 1809 weitgehende Autonomie gibt, und Finnland als „eine Nation unter anderen“ deklariert. Der grellweiß gekalkte gotische Dom aus dem 15. Jahrhundert wacht über die malerische Altstadt mit den knallbunten Holzfassaden. Viele Künstler und Literaten machten Porvoo zu ihrer Wahlheimat, unter anderem der Nationaldichter Runeberg.

Naantali liegt etwa 180 Kilometer westlich von Helsinki und gilt als Sonnenecke Finnlands. Kein Wunder, dass selbst der Staatspräsident in der lichterfüllten warmen Jahreszeit hier seinen Sommersitz bezieht – die Regierungsgeschäfte werden sozusagen an den Strand verlagert. Wer etwas auf sich hält, tut es dem Landesvater gleich und hat ein „Mökki“, das Sommerhäuschen, hier an Finnlands Riviera. Wenn abends das Vesperspiel der Klosterkirche von Naantali erklingt, flimmert die Sonne durch die Alleebäume am Hafen. Die Luft ist klar, das Maler- und Fotografenlicht des Nordens lässt alle Farben strahlen wie frisch aufgetragen. Boote schaukeln dicht an dicht im Wasser. In den Cafés und Kneipen der Altstadt direkt am Wasser ist jeder Platz besetzt.

Nur einen Katzensprung von Naantali entfernt liegt Turku, das sich mit ?altem schwedischen Namen Abo schreibt und in fast jedem Kreuzworträtsel präsent ist. Turku ist Finnlands älteste Stadt und wird 2011 zusammen mit Tallinn Europäische Kulturhauptstadt sein. Die Sehenswürdigkeiten liegen gerecht verteilt zu beiden Seiten des Flusses Aurajoki. Dazu zählt die schmiedeeiserne Markthalle mit ihrem alten Holzinterieur ebenso wie der Marktplatz mit dem schwedischen Theater und vor allem der Dom. Die spätromanische Kathedrale gilt als Finnlands bedeutendstes mittelalterliches Baudenkmal. Im Dom fanden berühmte Persönlichkeiten ihre letzte Ruhestätte, allen voran Karin Mansdotter, die eine erstaunliche Karriere machte: vom einfachen Blumenmädchen zur klugen und machtbewussten Königin. 1640 gründet eine andere Königin in Turku die erste Universität Finnlands.

Wer will, kann von Turku aus eine abendliche Fahrt mit einem nostalgischen Dampfschiff in den Schären-Archipel unternehmen. Das Boot legt an einer winzigen Felseninsel an. Ein Möwenschwarm segelt kreischend über der Feuerstelle, wo der auf Bretter genagelte „gekreuzigte Lachs“ gegrillt wird und betörend duftet. Wasservögel ziehen vorbei, während man sich an Fisch und Bier gütlich tut. Im Sommer prunkt der Abendhimmel mit dramatischem Farbenspiel.
Claudia Diemar
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