Italien

Italien: Fest der Gastfreundschaft

Die Säule von Bertinoro, der Stadt der Gastfreundschaft.

Die Säule von Bertinoro, der Stadt der Gastfreundschaft. Foto: aze

Das Hinterland der Romagna zeigt sich als stilles Genießerland  

Wenn weit hinten in der Adria langsam die Sonne versinkt, trifft man sich in Bertinorio gern noch ein wenig auf der Piazza della Libertà, die wie ein großer Balkon über der Ebene thront und freien Blick bis zum Meer gewährt. Von dort – aus den Badeorten Cervia, Cesenatico oder Rimini, nicht mal eine Autostunde entfernt – strömen die Tagesausflügler in die winzige Stadt in den Hügeln von Cesena, doch abends kehrt schnell Ruhe ein. Nur wenige Schritte unterhalb der Piazza lockt am Abgrund die Terrasse vom Cà de Bé, dem Haus des Weins. Hier können namhafte Weine der Romagna verkostet werden – oder man gönnt sich einfach ein Gläschen kühlen Pagadebit (Weißwein) als Sundowner.

Seit dem Mittelalter rühmt sich Ber?tinoro als „Stadt der Gastfreundschaft“: Damals, so wird überliefert, rauften sich die zwölf honorigen Familien der Stadt geradezu darum, durchreisende Händler zu bewirten und zu beherbergen – natürlich, um Klatsch und Neuigkeiten aus der großen Welt zu erfahren.
Um diesen ewigen Streit zu entschärfen, wurde im 13. Jahrhundert vor dem Rathaus eine große Säule mit zwölf Ringen errichtet. An welchem Ring der Colonna della Anella nun der Fremde sein Pferd anband, entschied über die entsprechende Gastgeberfamilie. Heute feiert Bertinoro jedes Jahr am ersten Septembersonntag sein „Fest der Gastfreundschaft“, an dem im ganzen Ort mächtig aufgetischt wird. Für Gäste, aber auch für den eigenen Magen.

Überhaupt ist die Küche Hochgenuss und Ehrensache: Was in der Ro?magna auf den Tisch kommt, stammt aus der Region. An den Hängen reifen Spitzenweine, aus den Oliven werden hochwertige Öle gepresst, hier gedeihen besonderes süße Pfirsiche, Aprikosen und knackiges Gemüse. Kein Wunder, zieht sich wie ein roter Faden die „Strada dei Vini e dei Sapori“, die Straße des Weines und des Genusses, durch das Hinterland der Adria.

In der Doppelprovinz Emilia Romagna ist die Romagna sozusagen die kleine Schwester der Emilia und außerhalb der Küstenregion weniger überlaufen, viel ursprünglicher und zudem preiswerter. In der reizenden mittelalterlichen Provinzstadt Brisi?ghella im grünen Lemonetal kann man sogar auf einem höchst kuriosen historischen Eselsweg spazieren.

Der Bogengang der Via degli Asini führt dagegen direkt durch den ersten Stock einer ganzen Häuserzeile der Altstadt. Drei Kalkfelsen überragen den Ort, auf denen höchst fotogen eine Burg, ein Uhrturm und eine Wallfahrtskirche thronen.
Brisighella ist auch berühmt für seine vielfach prämierten Olivenöle, die man in einer netten Probierstube im Zentrum verkosten kann. Nur im Juli platzt der sonst eher beschauliche Ort aus allen Nähten. Dann gibt er die ideale Kulisse für turbulente Ritterspiele.

Cesena wiederum trumpft mit einer der schönsten und besterhaltenen Klosterbibliotheken Europas auf. Auch an Faenza führt kein Weg vorbei. In der Hauptstadt der Keramik kann man Handwerkern und Künstlern in den Werkstätten über die Schulter schauen.

Nach so viel Kunst, Kultur und Kulinarik darf man sich auch ein paar Tage an der Küste gönnen. Die noch immer als „Teutonengrill“ verrufenen Strände zwischen Rimini und Ravenna werden heute überwiegend von Italienern bevölkert, wobei eine überraschend ruhige Atmosphäre herrscht. Die Badeorte präsentieren sich derart gepflegt, dass sich so manches andere Mittelmeerziel eine Scheibe abschneiden könnte.
Monika Zeller
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