Deutschland

Baden-Baden: Russische Renaissance

Schon Schriftsteller Dostojewskij versuchte im 19. Jahrhundert in Baden-Baden sein Spielglück.

Schon Schriftsteller Dostojewskij versuchte im 19. Jahrhundert in Baden-Baden sein Spielglück. Fotos: cd

Zwischen Rubeln und Roulette: Russen in der Kur- und Glücksspiel-Stadt

Im Kurpark liegt eine leere Flasche Wodka Gorbatschow auf dem gepflegten Rasen. In Apotheken und Boutiquen stehen „Man spricht Russisch“-Schilder. Auf dem Flughafen landen Linienmaschinen und private Jets aus Moskau. „Alles dehnte sich festlich und ansehnlich unter den Strahlen einer wohlmeinenden Sonne“, schrieb Turgenev 1867 in seinem Roman „Rauch“ über seine temporäre Wahlheimat Baden-Baden.

„Turgenev galt als Westler und war deshalb unter anderem mit Dostojewskij über Kreuz“, erklärt Renate Effern. Das Thema ihres Rundganges lautet „Die Russen in Baden-Baden“. Frau Effern, Vorsitzende der örtlichen Turgenev-Gesellschaft, ist mit Leidenschaft dabei. Seit Russen wieder reisen dürfen, hat die ehemalige Slawistik-Studentin viel zu tun. Sie betreute Frau Jelzin beim Stadtbesuch, traf sich zigmal mit der Gattin von Putin und muss regelmäßig für Prominenz übersetzen.

Die Russen sind nicht plötzlich gekommen. Sie sind zurück. Denn Baden-Baden ist kein neureicher Nobelort, der von den Rubel-Milliardären entdeckt wird, sondern tief in der russischen Seele verwurzelt. Von Russen majorisiert muss man sich in der beschaulichen Kurstadt deshalb noch lange nicht fühlen. Rund 4,5 Prozent aller Übernachtungen entfielen 2007 auf russische Gäste. Es gab Zeiten, da waren die Urlauber aus dem Osten weit zahlreicher vor Ort vertreten. „Der Himmel ist hoch, und der Zar ist weit“, hieß es im 19. Jahrhundert, wenn man sich in der Loggia der Trinkhalle in großer Toilette erging und die Neuankömmlinge musterte.

Wer mit Frau Effern unterwegs ist, sollte bequeme Schuhe tragen. Denn Baden-Baden mit seinen knapp 55.000 Einwohnern mag überschaubar sein, doch die russischen Spuren sind mehr als zahlreich und die Geschichten dazu erst recht. Da ist das Haus mit der Dostojewskij-Büste, dort das Anwesen mit der Gogol-Plakette, hier die Kirche mit dem vergoldeten Zwiebelturm und da die Spielbank, pompös wie ein französisches Königsschloss. Weil das Glücksspiel in Russland verboten war, strömte man in Scharen nach Baden-Baden. Tolstoj notierte: „Roulette bis sechs Uhr abends. Alles verloren.“ Turgenev rettete ihn vor dem Bankrott. Auch Dostojewskij verlor alles, was er an Barschaft besaß.

Was die Russen heute an Baden-Baden lieben, weiß Frau Effern ebenfalls: ?Beschaulichkeit und Geborgenheit. In der Russischen Kirche etwa kann man wie daheim dem orthodoxen Gottesdienst lauschen. Und natürlich sprechen auch einige Badefrauen im traditionsreichen Friedrichsbad Russisch. Das Friedrichsbad mit seiner riesigen Kuppel, mit Säulen, Blattgold und kostbaren Fliesen ist wie gemacht für den russischen Geschmack.

Es gibt zudem noch zwei Hotels in Baden-Baden mit eigenem Thermalwasser-Anschluss. Eines davon, die älteste Herberge des Kurortes, wurde kürzlich von einem ehemaligen KGB-Mann gekauft und glanzvoll renoviert. Die Interieurs würden auch einer Großfürstin gefallen: funkelnde Lüster, Parkett, prachtvoller Stuck und Tapeten mit goldglänzenden Ornamenten.
Claudia Diemar