Deutschland

Berliner Wandlungen

1990 wurde die East Side Gallery von Künstlern aus der ganzen Welt bemalt. Am besten ist man auf dem 165 Kilometer langen Mauerweg mit dem Fahrrad unterwegs.

1990 wurde die East Side Gallery von Künstlern aus der ganzen Welt bemalt. Am besten ist man auf dem 165 Kilometer langen Mauerweg mit dem Fahrrad unterwegs.<p>Fotos: cd</p>

Eine Spurensuche entlang des Mauerwegs ist eine Reise in die Zeitgeschichte zweier deutscher Staaten

„Die Mauer muss weg!“, skandierten die Massen hier im Herbst 1989. Wo einst der Todesstreifen rund um Westberlin verlief, ist heute ein Weg: der Mauerweg.

Bernauer Straße: Nirgendwo spielten sich im August 1961 ähnlich dramatische Szenen ab. Menschen flohen aus den Fenstern der Häuser in den Westen, als anderswo alles schon dicht war. Die Gebäude wurden später abgerissen, die Erlöserkirche, die genau auf der Grenze lag, in die Luft gesprengt. Heute erhebt sich hier wieder eine schlichte Kapelle in der Grünanlage, die einst der Todesstreifen war. Nur ein paar Schritte sind es bis zur nahen Gedenkstätte für die Maueropfer. Blumen und Kränze liegen entlang einer Metallwand. Ein Stück echte Mauer erhebt sich schräg dahinter, perforiert von „Mauerspechten“. Wenn man durch die Lücken im Beton späht, schaut man direkt auf das Dokumentationszentrum. Der Eintritt ist kostenlos.

Im Herbst 2009 ist es bereits 20 Jahre her, dass die Mauer gefallen ist. Das ist Anlass genug, sich auf die Spurensuche zu machen. Schon seit Frühjahr 2007 gibt es den Mauerweg. Er ist deutlich ausgewiesen, aber man muss den Blick heben. Die schlichten grauen Schilder hängen sehr weit oben an Laternen und Masten – vermutlich wären sie sonst schnell von Souvenirjägern abgeschraubt worden. 165 Kilometer misst der Mauerweg insgesamt, immerhin knapp 50 Kilometer liegen mitten in der Stadt. Am besten ist man per Rad unterwegs. Das ist individuell ebenso möglich wie auf begleiteten Touren. Der kleine Veranstalter Natours Reisen bietet Radeln in Berlin sogar als Pauschalreise an.

Für die Westberliner bedeutete der Fall der Mauer die Rückgewinnung des grünen Umlands mit seinen Seen und Flüssen. Draußen vor der Stadt idyllt der Mauerweg durch die Landschaft, verläuft über weite Strecken auf dem „Zollweg“ der Alliierten entlang der Grenze. Im ehemaligen Todesstreifen wühlen am helllichten Tag die Wildsäue. Vor den Toren Berlins scheint die Erinnerung fast getilgt. Auch im Stadtgebiet sind nur noch wenige Reste der Mauer vorhanden. Das längste Stück zieht sich entlang der Spree zwischen „Oststrand“ und Oberbaumbrücke: 1,3 Kilometer Beton in Bunt. 1990 wurde die „East ?Side Gallery“ von Künstlern aus der ganzen Welt bemalt, im Jahr 2000 restauriert. Scharen von Besuchern lassen sich hier vor Fresken mit Trabis und Bruderküssen ablichten.

Zwei Reihen Pflastersteine kennzeichnen im Stadtgebiet den Verlauf der Mauer. Ein schmales Band nur, aber eine deutliche Spur. Direkt am einstigen Checkpoint Charlie an der Kreuzung Kochstraße/Friedrichstraße sind Foto- und Infotafeln zur Teilung montiert. Ebenso wie die Open-Air-Ausstellung „Die friedliche Revolution“ am Alexanderplatz erlauben die Billboards visuelle Annäherung an die Geschichte. Denn manchmal sind auch Bilder beredt. Wie das von den amerikanischen und sowjetischen Panzern, die sich hier im Herbst 1961 unmittelbar gegenüberstanden. Für einen Moment hält man noch heute beim Betrachten den Atem an. Infos online unter www.visitberlin.de, www.mauerfall09.de und www.natours.de.

Claudia Diemar