Türkei

Türkei: Junges Leben in alten Ruinen

Dafür ist man nie zu jung: Römische Soldaten in Aspendos …

Dafür ist man nie zu jung: Römische Soldaten in Aspendos …

Die Türkei ist für den Kids-Club-Daueraufenthalt viel zu schade  

… und Schildkröten am Wegesrand.

… und Schildkröten am Wegesrand. Fotos: David Preiser, kib

Kinder zum Animateur, Eltern an den Strand zum Bräunen und rund um die Uhr Essen, Trinken und Eis schlecken zum Nulltarif. So lautet das touristische Konzept, das Millionen von Urlaubern in die Türkei lockt. Schließlich sind das Urlaubsbudget begrenzt und die Kosten beim All-inclusive-Aufenthalt a priori unter Kontrolle.

Was die Urlauber dabei zumeist verpassen, ist das Urlaubsland selbst. Dabei bietet gerade die Türkei insbesondere auch Familien abseits von Sonne und Strand viel Reizvolles. Das Abenteuer „Markt“ zum Beispiel. Wenn man jenseits von Plastiknippes und Pseudo-Gabbana-T-Shirts türkischen Schmuck und traditionelle Speisen entdeckt. Die – das sei allen All-inclusive-Freunden gesagt – so preiswert sind, dass man die Preisdifferenz zur Halbpension gar nicht verfuttern kann.

Ein anderes Erlebnis sind die zahlreichen antiken Stätten, die an der türkischen Südküste zuhauf auf ihre Erkundung warten. Die Ausgrabungen der römischen Hinterlassenschaften in Aspendos, Perge und Side beispielsweise sind für Kulturinteressierte ebenso einen Ausflug wert wie für Kinder. Denn die Türkei ist anderen Urlaubsländern mit ihren dauergrimmigen Blockwart-Kustoden in zumindest einem Punkt haushoch überlegen. Hier gilt die Devise: Anfassen und Klettern erlaubt. So bewundern die Eltern den noch gut erhaltenen Eierstabfries, während sich die Kinder kraxelnd und kriechend im Schneckenhaus-Wettsammeln messen. Oder die lieben Kleinen erklimmen vergnügt schwankend die Zuschauerränge im antiken Theater von Aspendos und plaudern mit einem römischen Soldaten, derweil sich die Alten in den Baedeker versenken.

Damit Eltern ihre Kinder nicht hetzen müssen – denn diese haben ja bekanntlich ein anderes Verhältnis zu Zeit und Raum –, bietet sich ein Mietwagen an. Die Kosten dafür sind überschaubar, das Chauffieren problemlos: Die meisten Straßen sind gut ausgebaut und die Türken beim Autofahren von levantinischer Gelassenheit. Fahrfehler werden großzügig übersehen – Ampeln allerdings ebenso. Daher ist der Rat des Autovermieters so wertvoll wie eine Kaskoversicherung: Wer in der Türkei schon beim Ampelgelb auf die Bremse tritt, sollte sich vorher im Rückspiegel vergewissern, dass ihm keiner hinten drauf fahren kann.

Gegenüber den geführten Hoteltouren im dauerklimatisierten Kältebus bieten individuelle Ausflüge Platz und Zeit für eigene Entdeckungen. Bei gemeinsamen Spritztouren unter türkischem Himmel lässt sich Ungeahntes finden: Da ist etwa der Hase, der – den Besuchermassen zum Trotz – in aller Seelenruhe vor der Theaterruine das Gras mümmelt. Oder das Storchenpaar, das auf dem Dach der Moschee sein Nest gebaut hat. Die Schildkröte, die sich am Wegesrand sonnt. Oder der funkelnagelneue Spielplatz in einer menschenverlassenen Gegend, irgendwo im Hinterland, kilometerweit weg von den ausgetretenen Touristenpfaden. Es sind die kleinen Dinge, die dafür sorgen, dass am Ende des Urlaubs nicht nur austauschbare Club-Lieder oder das Sodbrennen der Völlerei in Erinnerung bleiben.
Rivka Kibel