Irland

Irland: Das Ende der Welt

Wer nach Skellig Michael übersetzt, sollte einen festen Magen haben Fotos: ah

Wer nach Skellig Michael übersetzt, sollte einen festen Magen haben Fotos: ah

Ein Bootsausflug auf die irische Insel Skellig Michael ist ein schaukeliges Abenteuer

Im Hafen von Portmagee verteilt Skipper Shawnee Pillen gegen Seekrankheit. Uns wird nicht schlecht, versichern wir. Doch der Ire drückt die Tabletten fest in unsere Hände. Sein Blick verrät: Nehmt sie trotzdem.

Die Sea Quest legt um zehn Uhr im Hafen des kleinen Städtchens an der Südwestküste Irlands ab. Am Horizont sind bereits beide Felseninseln Little Skellig und Skellig Michael zu sehen, die wie Eisberge aus dem Atlantik herausragen. Zuerst tuckert unser Boot durch die schmale Bucht, die Valentia Island von der Halbinsel Iveragh trennt. Wir fühlen uns wie am Ende der Welt. Viel mehr kommt auch nicht. Denn zwischen den Skelligs und Neufundland ist kein nennenswertes Stück Land. Die Sea Quest passiert Bray Head, die Landspitze von Valentia Island, und plötzlich sind wir auf dem offenen Meer.

Der Atlantik macht aus der gemüt?lichen Butterfahrt eine feuchte Schaukelpartie. Skipper Shawnee dreht den Dieselmotor auf, Rußwolken wehen über unsere bereits nassen Köpfe hinweg, und die Welt versinkt in salziger Gischt und vorbeieilenden Möwen. Nach der einstündigen Überfahrt erreichen wir Skellig Michael. Über die Himmelsleiter – mehr als 600 windschiefe Steinstufen, die uns auf 200 Meter Höhe bringen – erreichen wir die Überreste einer frühchristlichen Mönchssiedlung. Sie wurde im 6. Jahrhundert auf einem stürmischen Plateau, das die Gläubigen in den Fels geschlagen haben, vom heiligen Finian gegründet. Der Mönch war von den koptischen Christen Ägyptens inspiriert. Diese suchten in der Wüste Buße und Meditation. Finian zog mit zwölf Gläubigen nach Skellig Michael – einem ähnlich unwirtlichen Ort. Noch heute sind sechs Bienenkorbhütten, die ohne Mörtel Wind und Wetter standhalten, und zwei Oratorien zu sehen.

Bis auf die Klosterüberreste, die zum Weltkulturerbe gehören, und einem verlassenen Leuchtturm gibt es nichts auf Skellig Michael – keine Toiletten, kein Ausflugslokal. Nach zwei Stunden begeben wir uns wieder auf die Sea Quest. Doch bevor Shawnee den Heimathafen ansteuert, umrundet das Schiff noch die Nachbarinsel Little Skellig. Unser Skipper fährt den Schiffsmotor runter, der Kutter schaukelt auf dem unruhigen Wasser, und wir blicken fasziniert auf Tausende Basstölpel, Sturmtaucher und Möwen, die auf der kargen Insel hocken oder kreischend in der Luft kreisen. Menschen ist der Zutritt verboten – das kleine Eiland ist ein Naturreservat. In Wassernähe sonnen sich ein paar faule Robben. Ornithologen schätzen, dass jährlich rund 20.000 Tölpel auf Little Skellig nisten. Und die wollen wir nicht weiter stören. Shawnee wirft den Motor an. Gurgelnd geht die holprige Fahrt weiter Richtung Festland. Gut, dass wir die Tabletten haben.
Arne Hübner
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