Portugal

Portugal: Zärtlich wachgeküsst

Im Schieferdorf Casal de Sao Simao machen auch die Kunden von Wikinger Reisen und Hauser Exkursionen Station.

Im Schieferdorf Casal de Sao Simao machen auch die Kunden von Wikinger Reisen und Hauser Exkursionen Station. Wer um Casal de Simao wandert, wird mit weiten Ausblicken belohnt. Fotos: aze

In vergessene Schieferdörfer im Pinhal zieht neues Leben ein  

Durch den winzigen Weiler Casal de Sao Simao zieht köstlicher Duft. Im Steinofen köchelt ein Stillleben zum Anbeißen: Schweinernes auf Kastanien gebettet, daneben backen dicke Brote mit knuspriger Kruste. Den Gästen läuft das Wasser im Mund zusammen, haben sie nach knackiger Wanderung durch Korkeichenhaine, Lorbeerwälder und über blühende Heidehügel schließlich einen Bärenhunger.

Casal de Sao Simao ist eines der 23 Schieferdörfer des Pinhal, einem gebirgigen Landstrich zwischen Porto und Lissabon, der lange Zeit in einer Art Tiefschlaf dämmerte. Die Jungen wollten nicht mehr an felsigen Hängen Ziegen hüten und suchten ihr Glück in den Städten. Zurück blieben die Alten in zerfallenden Dörfern. Zum Glück kamen hier und dort einige Prinzen des Weges, die sich in die schlafenden Schönen verliebten und liebevoll wachküssten.

Euros für die Wiederbelebung
Anibal Quinta ist so einer, der dem Charme dieser stillen Orte verfiel. Als er vor rund 20 Jahren Casal de Sao Simao entdeckte, waren gerade noch vier Häuser bewohnt, der Rest in ruinösem Zustand. „Man muss schon etwas verrückt sein, um so viel Geld, Zeit und Schweiß in einen Haufen Steine zu investieren“, lacht Anibal. Aber er konnte Freunde und Freunde von Freunden überzeugen, dass es sich lohnt, das Dorf wieder originalgetreu als Feriendomizil aufzubauen – und neuerdings auch für Gäste zu öffnen. Insgesamt 20 Personen können im Dorf beherbergt werden.

Wikinger und Hauser haben bereits die ersten Gruppen einquartiert. Mit den Urlaubern soll neues Leben einziehen und junge Menschen ermutigen, sich eine Existenz aufzubauen. Ana Sofia und Fernando Pinto wagen hier mit ihrem kleinen Unternehmen Go Outdoor den Schritt in die Selbstständigkeit. Die beiden studierten Umweltingenieure bieten geführte Wander- und Trekkingtouren, Mountainbike-Trails und Kajaktouren auf dem Rio Zezere. Viele Kilometer alter Bauernwege und Ziegenpfade wurden bereits freigelegt, mit Steinmännchen markiert und somit attraktive Wanderwege geschaffen. Und seit auch die EU in das Projekt der „Aldeias do Xisto“, der Schieferdörfer, eingestiegen ist, fließen munter Euros zur Wiederbelebung dieser reizvollen Region. Investiert wird in „behutsame Infrastruktur“ für sanften Tourismus, der aktive Naturfreunde ebenso locken soll wie stille Genießer und Feinschmecker mit Hang zum Rustikalen.

Davon profitieren auch die Dörfer in der Serra Lousa. In Bergnestern wie Gondramaz, Cedeira oder Talasnal wurden Gassen gepflastert, wo nötig Strom und Abwasser verlegt, wird gehämmert und gesägt. So entstehen aus alten Hütten schmucke Domizile, urig anzuschauen, aber mit modernem Komfort ausgestattet. Auch die Serra Lousa ist Wanderland für Entdeckernaturen. Auf frisch freigeschlagenen Bergpfaden wandern wir durch eine steinige Heide- und Ginsterlandschaft von Aigra Velha nach Aigra Nova. Überall werden die Besucher gastfreundlich empfangen, ja, fast noch bestaunt. Stolz zeigt die alte Bäuerin Louisa ihre 24 Ziegen im Stall. Seit die Organisation der Schieferdörfer hier einen kleinen Laden eröffnet hat und Gäste bewirtet, kommt etwas Geld in das Dorf. Dann wird auch mal eines von Louisas Zicklein zu köstlicher „Chanfana“ – Ziege in Rotwein eingelegt – verkocht.

Wer ein paar Tage in Janeiro de Cima in Manuela Margalhas „neuen alten“ Steinhäusern mitten im Dorf verweilt, kommt in den Genuss, vom Bürgermeister höchstpersönlich mit einem alten Nachen über den Fluss gestakt zu werden. Die Fährmannstradition soll erhalten bleiben – zudem beginnt am jenseitigen Ufer ein schöner Wanderweg. Mit 200 Seelen zählt Janeiro de Cima zu den belebtesten Schieferdörfern.

Süße Eierschaumküchlein
Der Charme der Schieferdörfer liegt in ihrer Ursprünglichkeit und der ?natürlichen Herzlichkeit ihrer Bewohner. Herzerfrischend wirkt auch Teresa Almeida, die sich ein Stück flussabwärts beim Weiler Madeira ihren Traum verwirklicht hat. Aus dem halbzerfallenen Landgut Vilar dos Condes wurde ein Schmuckstück: sechs Ferienhäuser, verspielt und unkonventionell in jedem Detail. Etliche der alten Möbel stammen vom Sperrmüll aus Lissabon. Doch was Teresa daraus gemacht hat, könnte einem Hochglanzmagazin „Kreativer Landhausstil“ entstammen. Die ehemalige Bodega, das Weinlagerhaus, wurde zum Gastraum, in dem sich locker 20 Gäste um den Tisch scharen können. Besonders wenn die Wanderer aus Alemanha kommen, stapeln sich darauf Köstlichkeiten, dass sich die dicken Balken biegen: grüne Suppe, Würste und Käse, Bacalao, verschiedene Stockfischvariationen und Cozida, ein würziger Rindfleischeintopf. Und den süßen Tigeladas, Eierschaumküchlein, kann sowieso niemand widerstehen.
Monika Zeller
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