Deutschland

Bayern: Künstlerdorf und Eistobel

Der örtliche Trachtenverein fand die Idee gar nicht lustig: Lederhose und Dirndl als Kunstobjekte des Skulpturenweges in Meierhöfen.

Der örtliche Trachtenverein fand die Idee gar nicht lustig: Lederhose und Dirndl als Kunstobjekte des Skulpturenweges in Meierhöfen. Foto: mg

Meierhöfen im Westallgäu gibt sich wohltuend entspannt

Eines Morgens waren die Steine weggeräumt. Einige lagen ganz dicht unter den beiden großen Eschen auf der Höhe, einige hatte man wie Schutt am Waldrand abgekippt. Das Kunstwerk „Samen“ von Max Schmelcher aus Bad Siebers, eines von rund 20 Objekten des Skulpturenwegs von Meierhöfen im Allgäu, war zerstört. Der Bauer, auf dessen Wiese die aufgeschnittenen Gletscherfindlinge aus der Iller positioniert worden waren, hatte genug davon: Immer um diese Felsbrocken herummähen – das war irgendwann einfach zu viel.

Im Allgäu hat alles seine Ordnung – und dieser Vorgabe müssen sich auch die Kunst und der Tourismus unterordnen. Denn so sehr die Initiatoren des Projektes um den Steinmetz Günther Schrade auch versuchen, die Einheimischen in das spannende Projekt einzubinden: Meistens sind es Touristen, die den fünf Kilometer langen Weg am Rand von Meierhöfen entlangspazieren.

Das auffälligste Kunstwerk freilich steht direkt an der Landstraße nach Grünenbach: an einer Leine aufgehängte Trachtenkleidung in roter Farbe, die einen herrlichen Kontrast zur lieblichen Landschaft des Westallgäus bildet.
Eine Landschaft, in der Massentourismus genauso ein Fremdwort ist wie Adrenalin-Kick. Das Westallgäu ist beschaulich, fast malerisch sanft. Auf vielen der verstreuten Bauernhöfe regiert das Ökokonzept. Die dort produzierte Milch hat genau jene Qualität, die in Sennereien wie der von Käsermeister Helmut Berkmann in Bremenried zu hochwertigem Biokäse verarbeitet wird und dem Nachwuchs ordentlich Muckis verleihen.

Elf dieser Öko-Sennereien haben sich vor zehn Jahren zu einem Verein zusammengetan. Heute bieten sie als Marketing-Gemeinschaft „Westallgäuer Käsestraße“ Urlaubern, von denen die meisten Familien oder Rentner sind, Führungen und kleine Käse-Events an.

Ansonsten wird gewandert, geradelt und gewalkt im Westallgäu. Im Winter gibt es bei reichlich Schnee in der Regel so gute Loipen, dass die Region Meierhöfen/Isny zum „Nordic Aktiv Zentrum“ des Deutschen Ski Verbandes gekürt wurde. Ein bizarres Spiel von Eiszapfen gibt es dann im Eistobel, einem tief eingeschnittenen Tal der Oberen Argen, deren Sandbänke im Sommer zum Picknick einladen. Natürlich nicht, ohne vorher ordentlich Käse eingekauft zu haben.

Ebenfalls ein ganzjähriger Magnet ist für viele Gäste Meierhöfens das Schwimm- und Erlebnisbad im Bungalow-Dorf des Gemeinnützigen Erholung Werks (GEW). Dort können bis 500 Gewerkschafter gleichzeitig ihren Urlaub verbringen – darunter auch Verdi-Mitglieder aus der Touristik, die einmal abseits vom klassischen Touristikgeschäft ihre freien Tage genießen wollen. Die Atmosphäre ist wohltuend entspannt, bodenständig und äußerst kinderfreundlich. Der Service entspricht dem kommerzieller Ferienanlagen.

Insofern passt das GEW perfekt ins Westallgäu: Protzen ist nicht. Wer ?ohne spektakuläre Alpengipfel und Après-Ski auskommt, sattes Grün und guten Käse liebt, wird sich in der Region pudelwohl fühlen.
Matthias Gürtler
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