Spanien

Bezauberndes Forschungsfeld

Die Münchner Schauspielerin Antonia Jaster hat sich auf zweisprachige Stücke spezialisiert. Eine ihrer Rollen ist Alexander von Humboldt.

Teneriffa: Wer den Spuren Alexander von Humboldts folgt, gelangt an die schönen Orte der Insel  

Das grüne Orotava-Tal wurde von Humboldt in den höchsten Tönen gepriesen. Fotos: FVA, pa

Grundgütiger Himmel, muss die uns so erschrecken? Die Frau mit dem strengen Pferdeschwanz und altertümlichen Männerklamotten, die plötzlich aus dem Busch vor unsere Nase springt? Sie fragt auch nicht, ob sie uns zutexten darf. Sie macht es einfach. Keine fünf Minuten später stehen alle in ihrem Bann – und folgen ihr wie Schäfchen durch den Orchideengarten.

Die grüne Oase im Herzen von Puerto de la Cruz ist heute die Bühne für Antonia Jaster aus München. Sie spielt die Rolle des Alexander von Humboldt, ein Spanier übernimmt den Part des Kofferträgers Domingo. Er trägt seinen Text auf Spanisch vor, sie auf Deutsch. Komischerweise fällt das nicht sofort auf, weil man meint, alles zu verstehen.

Kein Wunder, denn zweisprachige Stücke sind die Spezialität der beiden Schauspieler, die auf Teneriffa als „Jasteatro“ auftreten. Antonia schmettert Zitate aus Humboldt-Schriften, zückt ein Fernrohr, begutachtet die Gestirne. Auf seiner Südamerika-Reise 1799 hatte Humboldt einen dreitägigen Aufenthalt auf Teneriffa eingeschoben und dabei auch einer Gesellschaft im Orchideengarten beigewohnt.

Doch weniger nach süßer Zerstreuung denn nach Wissen dürstete es den gelehrten Weltenbummler. Und so widmete er zwei Tage seines Teneriffa-Besuchs einer Exkursion auf den Teide, den mit 3.718 Metern höchsten Berg Spaniens. Wegen des endemischen Pflanzenreichtums und der bizarren Vulkanlandschaft ist das Gebiet seit 1954 als Nationalpark ausgewiesen, für Humboldts Forschungsdrang ein Paradies auf Erden. Allerdings blieb er mit seiner Begeisterung nicht alleine: Teide-Ausflüge sind bei Teneriffa-Touristen äußerst beliebt. Um die Natur zu schützen, ist für die Besteigung des Gipfels inzwischen eine Genehmigung erforderlich.

Überhaupt hat sich auf Teneriffa vieles geändert seit Humboldts Visite. Das Stadtbild von Puerto de la Cruz ist phänomenal chaotisch, als ob hier allzeit jeder bauen durfte, wie er Lust hatte. Im Vergleich zu den modernen Ferienanlagen im Süden der Insel sehen die Hotels in Puerto de la Cruz weitgehend alt aus. Und so überrascht es nicht, dass die Stadt im Sommer 2009 an einem touristischen Tiefpunkt angelangt ist.

Im beschaulichen Orotava-Tal kann man wieder verstehen, warum Humboldt von der Schönheit Teneriffas berührt war. In einem Brief an seinen Bruder Wilhelm soll er geschrieben haben, er könne sich vorstellen, für immer auf der Kanaren-Insel zu leben. Und zum Orotava-Tal hielt er fest, „nirgends ein so mannigfaltiges, so anziehendes, durch die Verteilung von Grün und Felsmassen so harmonisches Gemälde“ vor sich gehabt zu haben. Davon wich er auch nicht ab, nachdem er „die Ufer des Orinoko, die Kordilleren von Peru und die schönen Täler von Mexiko“ durchwandert hatte. So steht es jedenfalls in dem neuen Buch „Alexander von Humboldt – Seine Woche auf Teneriffa“ (siehe Kasten).

Erwähnt wird dort auch La Laguna, dessen Altstadt zum Unesco-Welterbe geadelt wurde. Humboldt findet die Straßen jedoch „öde“ und freut sich nur über die „fortwährende Kühle“, die La Laguna zu einem „köstlichen Aufenthaltsort“ mache.

Um den kahlen Süden hat Humboldt offenbar einen Bogen gemacht. Die Reisenden von heute halten es eher umgekehrt: Sie sonnen sich an der Costa Adeje und sparen sich mitunter den abwechslungsreichen Norden. Die inselweit rund 100.000 Betten sind daher auch überwiegend im Süden zu finden, Vier- und Fünf-Sterne-Hotels bilden den Schwerpunkt. Für Amüsement sorgen Attraktionen wie der neue Siam Park mit Kamikaze-Rutsche und Wellenmaschine.

Wie gut, dass Teneriffa zwei Gesichter besitzt, und im Norden auch zwei Jahrhunderte nach Humboldt noch Flecken existieren, die ihn seinerzeit zu diesem Satz veranlassten: „Kein Ort der Welt scheint mir geeigneter, die Schwermut zu bannen und einem schmerzlich ergriffenen Gemüte den Frieden wiederzugeben, als Teneriffa.“

 

Literatur zur Reise
Der Zech Verlag auf Teneriffa hat ein neues Buch über den Besuch Alexander von Humboldts auf Teneriffa verlegt. Es enthält Originaltexte und Zeichnungen aus den historischen Reiseberichten. Kosten: 12,80 Euro. Bestellung unter www.zech-verlag.com.

Pilar Aschenbach
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