Deutschland

Rhön: Neiseln unterm Apfelbaum

Eine Wiese bei Hausen, wo der Streuobstlehrpfad beginnt. Foto: cd

Ein kulinarischer Streifzug durch die Region

Bettelarm waren die Rhöner einst. Kein Wunder also, dass sich die Küche des rauen Mittelgebirges einst vor allem um die „Erdäppel“ drehte. Doch die Rhön hat sich in den letzten Jahren zu einem Pionier in Sachen regionaler Küche gemausert. Im „Land der offenen Fernen“ und der weiten Panoramen kommt auf den Tisch, was in der unmittelbaren Umgebung wächst und gedeiht. Vor allem Bioprodukte stehen dabei hoch im Kurs. Die fruchtige „Bionade“-Brause aus Ostheim in der bayerischen Rhön hat längst eine Weltkarriere hingelegt.

Die von der Unesco zum Biosphärenreservat geadelte Rhön ist eine Kulturlandschaft, in der Mensch und Natur seit jeher eng zusammenwirken. Das gilt auch für Küche und Keller. Die Ziegen von Hirtin Elisabeth Sandach etwa helfen fleißig mit, dass die Landschaft nicht zu sehr verkrautet. Schäfer Dietmar Weckbach hütet die einst fast ausgestorbenen Rhönschafe, die gut an die hiesigen Kalkmagerwiesen angepasst sind. Weckbach ist alles andere als ein wortkarger Hirte und erzählt gern von der Arbeit mit den Rhöner Schafsköpfen. Das Fleisch der Tiere, zarte Lammkeulen ebenso wie deftige Wurst, wird in der Region verarbeitet und angeboten.Zum Beispiel im Gasthof „Zur Krone“ in Seiferts, der auch den Beinamen „Rhönschafhotel“ führt, weil sich die Küche der Herberge dem heimischen Lammfleisch in allen nur denkbaren kulinarischen Varianten widmet. Doch der Gasthof ist auch für seine Köstlichkeiten rund um den Rhöner Apfel bekannt. Die Wirtsleute der „Krone“ betreiben eine eigene Schaukelterei, die Besuchern durch eine Glaswand Einblick in die Verarbeitung gewährt. Zig Apfelspezialitäten werden hier inzwischen produziert: Apfelwein ebenso wie Cidre, Apfelsherry, Apfelessig und -gelee sowie „geistreiche“ Raritäten. Wer mehr über einheimische Köstlichkeiten wie Bohnapfel, Sternrenette oder den „geflammten Kardinal“ wissen will, fährt am besten zum Streuobstlehrpfad in Hausen und sieht sich auf einem Spaziergang um.

Selbst der Rhöner Weideochse erlebt eine Renaissance und kaut vielerorts wieder an Wiesenblumen. Der Gasthof „Zur Linde“ in Hofbieber serviert einen im Ofen gebackenen „Ochsenstrudel“ mit Kräuterrahmsoße.

Apropos backen: In vielen Rhön-Dörfern finden sich an zentralem Platz mit schönem Fachwerk geschmückte Katen. Wenn hier der Schornstein raucht, sollte man sofort anhalten. In diesen Backhäusern schieben rührige Hausfrauen selbst gemachtes Bauernbrot, „Zwiebelploatz“ oder Wagenräder von saftig belegten Obstkuchen in die Röhre und verkaufen oft einen Teil des Backwerks. Manch ofenwarme Köstlichkeit wird auf der nächsten Streuobstwiese bei einem deftigen Picknick verputzt. „Neiseln“ nennen die Rhöner derlei kleine Stärkungen zwischendurch.
Claudia Diemar
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