Spanien

Gran Canaria: Dialog zwischen Azur und Ultramarin

Sommerfrische in Puerto de las Nieves. Foto: cd

An der Küste im Nordwesten der Baleareninsel

Nirgendwo zeigt sich Gran Canaria so unberührt wie an der wilden Nordwestküste. An klaren Tagen kann man den fast 4.000 Meter hohen Gipfel des Teide auf der Nachbarinsel Teneriffa wie eine Fata Morgana über den Wolken am Horizont schweben sehen. Ab San Nicolas windet sich die Straße hoch über dem Ozean an der schroffen Küste entlang.

Schon bald ist der Aussichtspunkt El Balcon erreicht. Vom Parkplatz führt eine Treppe zur ummauerten Terrasse mit dem Panorama über die hier fast senkrecht abfallende Küste. Im Gegenlicht wirken die hintereinander gestaffelten Felsgipfel wie eine Horde von Riesen auf dem Weg zum Ozean. Nichts ist zu hören außer dem Sirren des Windes.

Die Route, die von hier aus Richtung Agaete weiterführt, gilt als eine der Traumstraßen der Insel und wird oft mit dem legendären Highway 1 an der kalifornischen Küste verglichen. In endlosen Kurven folgt die Chaussee den Launen der Topografie. Nahe dem Dörfchen Anden Verde liegt ein weiterer Aussichtspunkt mit Blick über Säulenkakteen, Agaven und steile Felsen, die in das Ultramarin des Atlantiks hinabzustürzen scheinen. Schier endlos wirkt der Ozean, gerade so, als ob er mit Himmel und Horizont verschmelze.

Hat man das Tal Guayedra durchquert, sieht man Puerto de las Nieves vor sich liegen. Grellweiße Fischhäuser mit blauen Fensterrahmen und Türen dösen in der Sonne, sind aufgeputzt mit Dekorationen aus Netzen, Muscheln und Schwämmen. Das Wasser im Schatten der langen Hafenmole ist still wie ein Waldsee und zum Planschen bestens geeignet.

Ricardo, ein alter Fischer mit wettergegerbtem Gesicht, hält die Angel in den Atlantik. Selbst im Hochsommer tragen die Fischer morgens dicke Jacken. „Der ewige Wind ist unsere Klimaanlage“, sagt Ricardo, „deshalb wird es auch im Sommer niemals zu heiß auf den kanarischen Inseln.“ Nur noch rund ein Dutzend professioneller Fischer gäbe es im Ort, erzählt Ricardo: „Die jungen Leute haben keine Lust, sich Nächte auf See um die Ohren zu schlagen und wochenlang ohne Verdienst zu sein, bis man endlich auf einen größeren Schwarm Fische trifft.“

Eine Möwe sitzt auf den Überresten des Felszackens Dedo de Dios. Auf „Gottes Zeigefinger“, der 2005 bei einem Sturm schwer beschädigt wurde, wacht sie über der Bucht. Puerto de las Nieves ist vor allem an den Wochenenden belebt, wenn die Ausflügler aus Las Palmas kommen und in den hervorragenden Fischlokalen speisen. Doch in der Woche ist wenig los. Nur wenn die Autofähre aus Teneriffa einläuft, herrscht für ein Viertelstündchen Betriebsamkeit bis sich das Schiff mit Tuten verabschiedet.
Claudia Diemar
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