Großbritannien

Suche nach dem Seeungeheuer

Segler vor dem höchsten Berg Großbritanniens, dem Ben Nevis.

Eine Segeltour in Schottland kann eine spannende Angelegenheit sein

Düstere Stimmung bei der Nessie-Suche vor Urquhart Castle. Fotos: sh

„Haltet die Augen offen! Heute ist ein guter Tag, um Nessie zu sehen“, sagt Skipper Michael. Schwierig. Nebel und Regen haben sich zu einer feuchtgrauen Masse verbündet, Rinnsaale suchen ihren Weg durch Ölzeug und Gummistiefel.

Das gut zehn Meter lange Segelschiff „Ukulele“ dümpelt in den Wellen von Loch Ness, die Segel hängen schlaff herunter. Kein Wind. Die Crew-Mitglieder drängeln sich an Deck, wuseln durcheinander, um den besten Platz zu finden. Das Fernglas vor Augen und die Kamera schussbereit. Sicher ist sicher. Vielleicht taucht das schottische Seeungeheuer ja heute auf.

Vor vier Tagen sind die sechs Segler in Cuxhaven aufgebrochen und über die Nordsee nach Schottland gesegelt. Tag und Nacht im gleichförmigen Rhythmus: vier Stunden Wache, also Segel setzen, navigieren und das Schiff steuern, aber auch kochen, essen und abwaschen. Dann vier Stunden Freiwache, wie auf See der komatöse Tiefschlaf heißt.

Ziel der Reise ist der Kaledonische Kanal. Unter Seglern, Motorbootfahrern und Paddlern gilt er noch als Geheimtipp, der viele Superlative bietet: Ben Nevis, den höchsten Berg Großbritanniens, Loch Ness, den tiefsten See, und natürlich Nessie, das mysteriöse Fabelwesen. Und mit fast hundert Kilometern Länge ist der Caledonian Canal der längste Kanal der britischen Insel, der die Nordsee mit dem Atlantik verbindet.

Die Gegend heißt Great Glen, großes Tal. Eine Laune der Natur hat die Highlands vor Urzeiten geteilt, die Täler füllten sich mit Wasser und wurden zu Seen. Ein findiger Ingenieur ließ sie zu einer Wasserstraße verbinden und hat damit für die Schifffahrt eine sichere Passage von der Nordsee zum Atlantik geschaffen. Insgesamt 29 Schleusen gleichen die 32 Meter Höhenunterschied aus.

Wellen schwappen gegen das Boot, es fängt an zu schaukeln. Nessie!? Alle starren in die Richtung, aus der die Wogen kommen. Der Nebel bleibt undurchsichtig. Nur ein sanftes Tuckern durchbricht die dicke Suppe. „Highland Explorer Tours“, entziffert jemand durch das Fernglas. Keine Seeschlange, sondern Touristen auf Monsterjagd. Enttäuschung macht sich breit.

„Ich habe Nessie schon gesehen und sogar gestreichelt. Werdet ihr gleich auch“, versichert der Skipper und verschwindet im Inneren des Bootes. Wenig später ist er wieder da, hält triumphierend eine Flasche in der Hand: „Original Loch Ness Whisky.“ Ein Seeungeheuer mit langem Hals und schmalem Kopf prangt auf dem Etikett. Die Flasche geht rund. Jetzt kann jeder behaupten, Nessie einmal in den Händen gehabt zu haben.

Das Fabelwesen bleibt heute in den Tiefen des Sees, aber Sonnenstrahlen schummeln sich durch Wolken und Nebel, beleuchten die Ruine Urquhart Castle. Wind kommt auf. Bei der Crew sitzt jeder Handgriff. Die Segel straffen sich und das Schiff gleitet lautlos durch die Weiten des Sees.

Irgendwann ist er zu Ende und die Ufer kommen wieder näher. Nur wenige Meter Wasser trennen die Felsen. Handarbeit. Die Bäume an beiden Ufern bilden mit ihren Ästen ein Blätterdach über dem Wasser. Pink leuchtet der Rhododendron, gelb der Ginster, grün Büsche und Gräser.

Schilder kündigen das Örtchen Fort Augustus an. Seine fünf Schleusen werden heute nicht mehr geöffnet. Die Crew-Mitglieder haben Freiwache und treffen im Pub die anderen Nessie-Sucher wieder. Ein Dudelsack quietscht eine eingängige Melodie. Bei schottischem Whisky machen Geschichten über mutige Jäger, Monster und andere Ungeheuer die Runde.

Weitere Informationen übers Segeln in Schottland gibt es im Internet unter www.schottland.de. Hausboote für eine Fahrt auf dem Kaledonischen Kanal kann man unter anderem bei der TUI-Marke Le Boat mieten.
Silke Haas
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