Tschechien

Tschechien: Mit Hannibal auf Tour

Ein Spaß für die ganze Familie: die Fahrt mit der Pferdeeisenbahn. Foto: jm

Die Pferdeeisenbahn fuhr einst von Budweis nach Österreich

Das Bier hat Budweis berühmt gemacht. Doch auch das Salz spielte ein große Rolle – und ein gewisser Frantisek Josef Gerstner. Der Mann schaute über den Tellerrand nach England, wo 1801 eine Pferdeeisenbahn in Betrieb genommen wurde. Sechs Jahre später legte er seinen Plan vor, wie das kostbare Salz aus Österreich den Weg nach Budweis und über die Moldau nach Prag nehmen sollte. Seine Idee erlebt heute eine touristische Renaissance.

Die Rechnung war einfach. Ein Pferd konnte auf der Straße eine Last von einer Tonne ziehen, auf Schienen mit der gleichen Energie aber das 8,4-Fache. 1820 kam der Auftrag für den Bau der Bahn, und am 1. August 1832 war es so weit: Die gesamte Trasse von Budweis nach Linz war fertig, genau 129 Kilometer.

Budweis hat nicht nur seinen 72 Meter hohen Glockenturm Cerna Vez und den quadratischen Marktplatz mit 133 mal 133 Metern, sondern besitzt auch noch ein Wächterhäuschen der Pferdeeisenbahn, das k. u. k. Salzlager in der ehemaligen Salzstraße und das Nissl-Haus. Es war das Kassenhäuschen für den Personenverkehr mit der Pferdebahn. Selbst die Herrschaften des Habsburger Kaiserreiches lösten dort ihr Ticket, wenn sie mit dem Luxuswagen „Hannibal“ reisten. Die Fahrgäste in der dritten Klasse hatten freilich nicht einmal ein Dach über dem Kopf, und das bei einer Fahrtzeit von 14 Stunden. Täglich um fünf Uhr früh fuhren die Personenzüge in Budweis ab.

Es ging nach Süden, in etwa der heutigen Europastraße 55 entlang. Das Nachreisen direkt entlang der Trasse ist heutzutage zwar nicht mit dem Auto oder Fahrrad möglich, wohl aber mit der Bahn. Im Museum von Bujanov erfahren Urlauber, wie eine Umspannstation funktionierte. Es gab sie alle 20 Kilometer, und ein Pferd lief täglich nur einen Abschnitt und kehrte bis abends mit Waggons aus der Gegenrichtung wieder in den heimischen Stall zurück.

Wer in der Früh in Budweis oder Linz abfuhr, traf gegen Mittag in der Gipfelstation in Kerschbaum auf der österreichischen Seite ein. Dort war Halbzeit. Kerschbaum, 15 Kilometer hinter der tschechischen Grenze, ist die einzige Station, wo man noch heute Pferdeeisenbahn fahren kann. Auf 500 Metern der historischen Strecke geben zwei Personenwaggons einen kleinen Geschmack des Reisens vor 150 Jahren. Einer der Waggons ist „Hannibal II“, eine Nachbildung des „Hannibal“, der im historischen Museum von Wien zu sehen ist.

Gegen 19 Uhr endete die Fahrt von Budweis nach Linz. 1873 ging es auch für die Ein-PS-Züge zu Ende. Die moderne Dampfeisenbahn kam. Die Reste der Pferdeeisenbahn auf tschechischem Gebiet wurden 1971 zum Kulturdenkmal erklärt. Frantisek Josef Gerstner hatte Recht. Ein Blick über den Tellerrand hinaus lohnt.
Jochen Müssig
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