Italien

Südtirol: Ruhiges Ufer, magische Bergwelt

Blick vom Durnholzer See auf den Ort Durnholz mit der Kirche Heiliger Nikolaus. Foto: wog

Der Durnholzer See ist idealer Startpunkt für Wandertouren

In der Tiefe schimmert der Durnholzer See: ein tiefblaues Dreieck, in dem sich die Kirche zum Heiligen Nikolaus spiegelt. Und ihre vier Turmglocken hallen über steile Bergweiden, Fichtenwälder, Latschen und Zirben bis hier herauf, wo Wanderer auf dem Weg sind zur Jakobspitze, einem Aussichtpunkt der Extraklasse. Denn dieser felsige Gipfel ragt 2.742 Meter in den stahlblauen Himmel über den Sarntaler Alpen – eine der einsamsten Bergregionen Südtirols.

Eine schöne Annäherung an diese geheimnisvolle Landschaft gelingt von Bozen aus: zunächst am Fluss Talfer entlang hinein ins Sarntal, das von der umliegenden Gebirgswelt wie ein Hufeisen umschlossen wird – die Route für die „Sarntaler Hufeisentour“. Beim Flecken Astfeld folgen Besucher dann dem Durnholzer Bach 13 Kilometer nach Nordosten, wo er dem gleichnamigen See entspringt.

Über dem See, auf einer Anhöhe, der Ort Durnholz: 300 Einwohner, 15 Privathäuser, 37 verstreute Bauernhöfe, zwei Gasthäuser, eine Schule – und natürlich die Kirche zum Heiligen Nikolaus, bereits erwähnt im Jahre 1405. Die Bauern halten meist Kühe, Schweine, Pferde oder Schafe. Viel anbauen können sie nicht: Auf den kargen Böden wächst außer Getreide, Kraut und Kartoffeln nichts. Immerhin liegt Durnholz 1.568 Meter hoch.

Und der abgeschiedene Ort hat zwei unerhörte Stärken: Da liegt zunächst dieser wunderschöne Bergsee direkt vor der Tür: 900 Meter lang, 350 Meter breit, 13 Meter tief, gespeist von zwei Gebirgsbächlein, deshalb immer bitterkalt, doch Lebensraum für prächtige Regenbogenforellen, denen Angler vom moorigen Nordufer aus geduldig nachstellen.

Ein Bergrutsch, der einen Talbach staute, hat den See entstehen lassen. Viel interessanter aber klingt die Sage: Wo heute der See ist, war einst eine Wiese, die einem Bauern gehörte. Als einmal ein Gewitter drohte, verbot der seinen Arbeitern, beim Feierabendleuten die Arbeit niederzulegen und ihr Ave Maria zu beten. Da stürzten plötzlich von allen Seiten reißende Bäche herab und verwandelten die Wiese in den Durnholzer See.

Familien können dieses Idyll auf einem Uferweg bequem umrunden und dabei die wahrlich spektakulären Aussichten genießen: wuchtige Berghöfe mit blumenverzierten Balkonen, Kühe auf sattgrünen Weiden, knallrote Vogelbeerbüsche und über allem die Gipfelparade der Sarntaler Alpen.

Und wen es hinauflockt in diese wilde Bergwelt, der ist in Durnholz ebenso bestens aufgehoben. Denn von hier starten die Routen hinauf zu Kassianspitze und Schrotthorn, Hörtlahner, Tagewaldhorn, Latzfonser Kreuz – und natürlich zur Jakobspitze. Die gut markierten Wege führen in Höhen zwischen 2.300 und 2.700 Metern, sind gletscherfrei, verlangen aber Kondition und Trittsicherheit.

Denn oberhalb von Bäumen, Beeren, Alpenrosen, Enzian und Zwergwacholder wird’s richtig rau: Da heißt es, über ausgedehnte Blockhalden zu hüpfen. Verantwortlich für diese abenteuerliche Trümmerlandschaft ist vor allem der strenge Winterfrost. Der lässt das ins Gestein gesickerte Wasser gefrieren, worauf es sich ausdehnt und die Felsen sprengt.

Wer sich vom Tellerjoch her über den genussreichen Südwestrücken der Jakobspitze nähert, den Gipfel überschreitet und nach Norden absteigt, der gelangt in die Flaggerscharte, die ganz mit solch abgesprengtem Geröll aufgefüllt ist. Von hier ist es nur ein Katzensprung zur Flaggerscharten-Hütte auf 2.481 Metern Höhe. Sie ruht mit blau-weiß gestrichenen Fensterläden direkt am Seeufer im Zentrum eines wilden Talkessels, und auf der gemütlichen Holzterrasse schmeckt ein Stück Bergkäse besonders gut.
Wolfgang Gessler
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